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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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widerstehen? Als Arzt wusste er selber doch am besten, wie furchtbar Schmerz sein konnte.
    Immer noch sah er Johannas Augen vor sich, voller Angst und Verzweiflung. Die Scham, die in ihnen gebrannt hatte. Sie wird sterben, dachte er, wie all die anderen. Verbranntes Fleisch. Unter der Folter würde sie zusammenbrechen, schuldig oder nicht. Dass er an ihr kein Hexenmal gefunden hatte, spielte dann keine Rolle mehr. Nur wer die peinliche Befragung von den Daumenschrauben bis zum Zug drei Mal überstand, hatte die Aussicht auf Freispruch. Und dann? Was war dann noch übrig von dem Menschen, der dies hatte über sich ergehen lassen müssen? Ein Krüppel, ein Gebrochener, ein Gespenst, das nicht mehr leben konnte und doch nicht sterben.
    Konnte man sie aus dem Hexenhaus befreien? Wenn, dann musste es schnell gehen. Vermutlich folgte morgen die gütliche Befragung, danach die Territion, das Zeigen der Instrumente. Wenn sie dann noch nicht gestanden hatte, kam die Tortur. Aber sie befreien? Wie sollte das zu machen sein? Das Drudenhaus war Tag und Nacht von zwei bewaffneten Malefizknechten bewacht. Johannas Zelle lag oben im ersten Stock, er wusste nicht einmal, welche. Wollte man sie dort herausholen, so bräuchte man dazu wohl einen Trupp Landsknechte, keinen studierten Physikus, der nicht einmal wusste, wie man ordentlich mit einem Dolch umging.
    Er stand auf, zündete eine Kerze an und ging hinunter in die Küche. Bei einem Becher Milch zerbrach er sich eine Stunde lang den Kopf, rieb sich die Augen, bis sie brannten. Sie war nicht zu retten. Er wusste nicht, wie er ihr jetzt noch helfen konnte. Er wusste nur eins, und das war ihm nie so klar gewesen wie jetzt: Er liebte diese Frau, und er wollte sie nicht verlieren.

    Als der Morgen graute, hielt es ihn nicht mehr im Haus. Er warf seinen blauen Arztmantel um und wanderte ziellos durch die Gassen. Sein Weg führte ihn durch die erwachende Stadt, über den Grünen Markt, die Untere Brücke, den Katzenberg bis zum Domplatz. Überall öffneten sich die Fensterläden, Frauen hängten die Bettwäsche hinaus, Mägde liefen nach Wasser und zur Brotbank. Die Knechte auf dem Weg zur Arbeit sahen ihm verwundert nach, wenn er mit abwesendem Blick an ihnen vorbeiging, manche, die ihn kannten, grüßten ihn auch freundlich. Am Kaulberg geriet er einer Kuh in den Weg, die ihr Besitzer gerade zum Tor hinaustrieb, damit sie der Stadthirte mit auf die Weide nehmen konnte. Wahllos nahm er die Abbiegung zur Judengasse, wo ihm ein bestialischer Geruch entgegenschlug. Drei Kehrichtbauern hatten gerade damit begonnen, eine Senkgrube zu leeren und den Inhalt auf Fässer und Wagen zu verteilen. Jetzt war noch eine gute Zeit dafür, denn in der warmen Jahreszeit durften die Heimlichkeiten nicht mehr geöffnet oder geräumt werden.
    Cornelius beschleunigte seine Schritte, um an den stinkenden Fäkalien vorbeizukommen. Ein Mönch lief ihm ebenso eilig entgegen, wohl auf dem Weg zur Domburg. Er grüßte den Schwarzgekleideten, und der machte das Kreuzzeichen zum Dank. Cornelius bemerkte, dass ihm an der rechten Hand ein Finger fehlte. Er bog in die Schimmelsgasse ein und verscheuchte dabei zwei kampfbereite Kater, die sich fauchend und mit gesträubtem Fell gegenüberstanden. Ein vornehm gekleideter Mann nickte ihm freundlich zu. Es war der Vorsteher des städtischen Siechhauses, den er neulich von seinen Magenbeschwerden befreit hatte. Unter dem Arm trug er eine Tasche aus feinem hellen Ziegenleder, auf der groß und bunt das fürstbischöfliche Wappen prangte. Und dann kam Cornelius endlich der rettende Gedanke.
    Er machte auf dem Absatz kehrt, und zehn Minuten später stand er vor dem Eingangsportal der Residenz Geyerswörth.

    Man hatte ihn zwei geschlagene Stunden warten lassen, doch dann führte ihn endlich der junge Mohr Caspar in einen der Empfangssalons im ersten Stock. Cornelius hatte sich derweil eine Rede zurechtgelegt. Er war nervös und angespannt. Alles hing von der nächsten Viertelstunde ab.
    »Doktor Weinmann, welch ungewöhnlicher Besuch!« Der Fürstbischof kam ihm entgegen. Er trug noch sein Morgengewand aus brombeerfarbenem Damast, und auf dem Tisch standen die Reste eines Frühstücks aus Weinsuppe, Brot und Käse. In einer Ecke des Raumes diskutierten zwei ältere Domkapitulare leise miteinander.
    Der junge Arzt verneigte sich tief. »Ich hoffe, Ihr befindet Euch wohl, Eminenz, und wünsche einen guten Morgen.«
    Dornheim faltete die Hände vor dem Bauch. »Es geht mir

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