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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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war in der Gans nicht viel los, was daran lag, dass die Wirtin vor gut zwei Monaten ins Malefizhaus gebracht worden war. Es gab genügend andere Tavernen in Bamberg, da musste man nicht unbedingt sein Seidlein hier trinken, wo vielleicht eine Drud ihr Unwesen getrieben hatte. Gerade deshalb waren Pater Kircher und Cornelius übereingekommen, sich hier zu treffen. Sie wollten Hans Schwartz, den Wirt, unterstützen.
    Petrus Kircher saß schon in der Ecke neben der Schanktheke, von wo aus er die Eingangstür gut im Blick hatte. Außer ihm war nur noch der Gerberstammtisch da, bestehend aus einem Rot- und drei stämmigen Weißgerbern, die ihren Platz neben der Hintertür hatten. Kircher konnte die Männer riechen, denn die Mischung aus Urin und Fäkalien, mit denen sie täglich ihre Felle bearbeiteten, haftete streng an ihnen. »Und ich sag euch«, polterte einer von ihnen, »die Häute vom gelben Glanvieh, das sich die Buttenheimer Bauern seit neuestem halten, taugen nichts. Zu dünn.« »Stimmt«, gab ein anderer zurück, »die zerreißen gern unterm Glätteisen. Die Viecher stammen ja auch aus der Pfalz, da kann halt nichts Gutes herkommen.« Gelächter klang durch den Raum.
    Der Jesuit hörte mit einem Ohr zu, während er den Schaum von seinem Bier abtrank. In letzter Zeit brauchte er abends mindestens fünf, sechs Seidlein, um einschlafen zu können. Die Aufgabe als Hexenbeichtiger zehrte an seinen Nerven. Wie konnte man noch an Gerechtigkeit glauben, wenn man täglich die Qualen der Menschen miterlebte, die in die Mühlen der Hexenjustiz geraten waren? Immer öfter ertappte er sich bei dem Gedanken, den Rektor um seine Versetzung in ein anderes Kolleg zu bitten. Vielleicht nach Speyer, in seine Geburtsstadt, wo er seit seiner Jugend nicht mehr gewesen war. Kircher nahm noch ein paar große Schlucke und wischte sich mit dem Ärmel über den Bart. Die Hexenprozesse hatten ihn verändert. Er war noch nicht einmal vierzig, und fühlte sich, als habe er doppelt so viele Jahre auf dem Buckel. Wo war sein alter Frohsinn geblieben, seine Zuversicht, sein Gottvertrauen? Früher, dachte er, da haben sich meine Mitbrüder immer um mich geschart, weil ich sie zum Lachen gebracht habe. Jetzt, das war ihm längst klar, mieden sie ihn, weil er immer wieder mit demselben Thema anfing. Er trank aus, und die Schankmagd brachte ihm wortlos ein zweites Bier.
    Endlich ging die Tür auf, und der Arzt trat eilig ein.
    »Entschuldigt, Pater, ich bin spät dran.« Cornelius stellte seine Tasche hin, warf den feuchten Mantel über die nächste Stuhllehne und setzte sich zu Kircher an den Tisch. »Ich musste noch zur Schiffersmargaret hinterm Kranen.«
    »Die Maigel? Die jeden Tag mit ihrem Schelchen ausfährt, seit ihr Mann tot ist, und seitdem mehr Weißfisch an Land zieht als alle anderen? Was hat sie denn?«
    Cornelius seufzte. »Das Blutfieber. Sie hat sich an einem rostigen Nagel gerissen, und jetzt ist die Entzündung aufgestiegen. Ich hätt ihr helfen können, wenn ihre Kinder mich früher geholt hätten. Aber sie haben versucht, die Sache mit Theriak zu behandeln. Billiges Zeug, von irgendeinem Scharlatan auf dem Markt gekauft.« Er nahm seine Mütze ab und fuhr sich durchs feuchte Haar. »Ich konnte ihnen nur noch raten, den Priester zu holen. Sie wird die Nacht wohl nicht überleben.«
    Kircher schüttelte den Kopf. »Arme Maigel. Hat nicht viel Glück gehabt im Leben. Jeder weiß doch, dass diese reisenden Theriak- und Wurmkrämer alle Betrüger sind.«
    Die Schankmagd stellte Cornelius ungefragt ein Seidlein Bier hin und kam dabei mit ihrem weiten Ausschnitt seinem Gesicht recht nah. Er sah der Frau mit den langen dunklen Haaren unwillig nach, als sie sich hüftschwenkend entfernte. Kircher bemerkte seinen Blick. »Ja, die Mina probiert’s bei jedem, sogar bei den Verheirateten«, bemerkte er mit gerümpfter Nase. »Also dann, Doktor, warum wolltet Ihr mich sprechen?«
    Cornelius langte in die Tiefen seines Mantels und brachte ein prallgefülltes Ledersäckchen zum Vorschein, das er mit einem dumpfen Geräusch mitten auf den Tisch fallen ließ. »Das hier«, sagte er, »ist mein Judaslohn. Was mir die Malefizkasse für meine Suche nach Hexenmalen bezahlt hat. Ich habe das Geld gesammelt, jeden Gulden, und ich will es nicht. Hört, Pater, Ihr kennt die Familien der Toten. Ihr wisst, wer bedürftig ist. Tut mir einen Gefallen und verteilt es.«
    Kircher sah den jungen Arzt lange an. »Ich höre, Ihr geht nicht mehr ins

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