Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
Vom Netzwerk:
Hexenhaus?«
    »Ich habe der Malefizkommission geschrieben, dass ich meine Aufgaben als Stadtarzt nicht länger zugunsten der Hexenprozesse vernachlässigen kann. Jetzt suchen sie selber nach den Zeichen des Teufels. Ich kann’s einfach nicht mehr.«
    Der Pater stieß mit seinem Krug auffordernd gegen den von Cornelius. »Ihr gefallt mir, Doktor Weinmann. Mir geht’s nämlich genauso.« Sie tranken. »Nur dass ich es nicht sein lassen kann, weil ich vom Kolleg dazu ausgewählt worden bin.«
    Cornelius winkte den Wirt heran und bestellte Kochfleisch, Brot und Kren. Dann wandte er sich wieder Kircher zu. »Mich wundert’s, Pater, dass die Jesuiten diesen Hexenwahnsinn so mitmachen. Es ist doch ein fortschrittlicher Orden, in dem lauter gebildete Männer das Sagen haben.«
    Der Pater lächelte traurig. »Das möchte man meinen, lieber Doktor. Es gibt, soweit ich als einfacher Geistlicher das überblicke, schon Zweifel. Und es gibt auch Stimmen, die sich gegen die gängige Praxis der Verfolgungen wenden. Aber die Gesellschaft Jesu muss vorsichtig sein. Ihr wisst ja, wir sind ein junger Orden, gegründet vor nicht einmal hundert Jahren durch den Heiligen Ignatius von Loyola. Seitdem haben wir die Protestanten bekämpft und eine führende Stellung im Kampf gegen Luther und seine Lehre bezogen; gerade in den deutschen Landen hat uns das großen Einfluss gebracht. Doch von Anfang an standen wir auch immer zwischen Kaiser und Papst. Haben unsere Oberen zuerst recht bedingungslos das Papsttum unterstützt, so sieht es in den letzten Jahren ganz anders aus. Man schlug sich auf die Seite der Habsburger, aus Gründen, die zu erläutern jetzt zu weit führen würde. Deshalb ist Papst Urban VIII. dem Orden feindlich gesinnt und versucht, unseren Einfluss zu schwächen, wo es geht. Sich in dieser Lage öffentlich gegen die Hexenverfolgungen auszusprechen wäre Wahnsinn. Es könnte womöglich die Auflösung der Gesellschaft Jesu durch den Papst nach sich ziehen. Und das will niemand riskieren.«
    »Alles Politik, was?« Cornelius schob Kircher einen der zwei Fleischteller hin, und die beiden begannen, einigermaßen lustlos in den fetten Brocken zu stochern.
    »Ist Euch schon einmal aufgefallen, Pater«, begann der junge Arzt schließlich vorsichtig, »dass unter den Hingerichteten ungewöhnlich viele Räte mit ihren Familien sind?«
    Kircher legte sein Messer hin. »Und drei Bürgermeister, ja. Und der Kanzler, der das Reichskammergericht einschalten wollte. Denkt Ihr, was ich denke?«
    Cornelius sah kurz zu den Gerbern hinüber, die lautstark über ihre Geschäfte diskutierten. Wirt und Schankmagd waren nicht da. »Ein feiner Plan«, sagte er dann leise. »Man entledigt sich der Unbequemen in der Stadtregierung. Derjenigen, die sich in den letzten Jahren gegen den Fürstbischof gestellt haben.«
    »Und man beerbt sie«, fügte Kircher trocken hinzu. »Es sind alles reiche Leute. Hört, ich will damit nicht sagen, dass dieser Hexenwahn nur deshalb angefangen hat. Aber ich kann mir vorstellen, dass man ihn in eine bestimmte Richtung lenkt. Und dass es vielleicht auch deshalb nicht aufhört.«
    Cornelius nickte und sah sich wieder unruhig in der Gaststube um. »Wenn das stimmt, und wenn herauskommt, was wir beide hier reden, dann sind wir die Nächsten. Wir müssen … «
    In diesem Augenblick wurde die Tür heftig aufgestoßen, und alle Köpfe im Raum fuhren herum. Jemand stolperte, ja fiel fast herein, eine zerschlissene, schmutzige Decke um Kopf und Körper. Mit merkwürdig unsicheren Schritten wankte die Gestalt bis zur Mitte des Raumes, knickte langsam in den Knien ein und brach ohne einen Laut zusammen.
    Cornelius sprang auf und war mit zwei Schritten dort. Vorsichtig schlug er die Decke auseinander und sog dann vor Entsetzen laut die Luft zwischen den Zähnen ein. Vor ihm lag eine Frau, so furchtbar zugerichtet, dass ihm beinahe übel wurde, obwohl er die Anatomiesäle in Padua gewohnt war. Aber dort waren die Menschen, die so aussahen, tot gewesen. Und diese Frau hier lebte!
    Hinter ihm stieß Pater Kircher einen Laut des Erschreckens aus. »Die Schwartzin! Sie ist zurückgekommen!«
    Die vom Gerberstammtisch rumpelten auf wie ein einziger Mann und waren auch schon zur Tür hinaus. Der Wirt war zusammen mit seiner Schankmagd aus der Küche herbeigeeilt und sah fassungslos auf das blutige Bündel herab, das vor ihm auf den Holzbohlen lag. »Die Barbara«, flüsterte er und erbleichte, als habe er einen Geist

Weitere Kostenlose Bücher