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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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war. Sie hatte das winzige Tierchen mit Ziegenmilch aufgezogen, nachdem seine Mutter von einem Hund zu Tode gebissen worden war. Und jetzt hatte er auf so furchtbare Weise sterben müssen, nur weil er ihr gehörte.
    Thea war herbeigerannt und nahm ihre bebende Schwester in den Arm. »Diese Lumpen«, sagte sie ein ums andere Mal, »dieses gemeine Lumpengesindel.«

    Abdias Wolff zog mit einer großen Zange die Nägel aus dem Holz und nahm den zerfetzten Kadaver vorsichtig ab. Dann packte er die Schaufel, grub im Garten ein großes Loch und beerdigte den Kater, dort, wo schon die Katzenminze spross. Die ganze Zeit über mahlten seine Kiefer, und er biss die Zähne so fest zusammen, dass seine Backenknochen hervortraten.
    »Hanna, du musst fort«, sagte er später, als sie in der Stube beim Mittagsmahl saßen.
    Sie lachte bitter. »Und wohin?«
    »Zur Verwandtschaft in die Niederlande.«
    »Nach Amsterdam?« Thea blickte interessiert auf.
    »Zu Onkel Maurits, ja. Ich hab mir alles gut überlegt. Ihr wisst doch noch, dass damals, als eure Mutter noch lebte, der kleine Pieter über ein halbes Jahr bei uns war. Sie haben ihn hergeschickt, weil in Amsterdam die Pocken gewütet haben. Jetzt könnten wir das Gleiche tun.«
    »Onkel Maurits und Tante Geertje haben mir zur Hochzeit ganz wunderschöne Spitzenware geschickt und in ihrem Glückwunschbrief auch nach dir gefragt, Hanna. Sie würden dich bestimmt gern aufnehmen«, meinte Thea.
    Johanna überlegte. Sie kannte den jüngeren Bruder ihrer Mutter, der in der Hauptstadt der Niederlande lebte, nur aus Briefen. Selbst nach dem Tod der Apothekerin war der Kontakt nie abgerissen, man schrieb sich mindestens einmal im Jahr. Aber sie erinnerte sich an ihren ungefähr gleichaltrigen Vetter Piet, einen hellhäutigen, blauäugigen, fast weißhaarigen Pummel, der vor Heimweh ganz krank gewesen war. Sie seufzte. Ja, es wäre ein Ausweg, wenn sie in die Niederlande reiste. Hier konnte sie sich ja nicht mehr auf der Straße zeigen. Ihr Verlobter hatte sich gegen sie gewandt, und alle Leute mit dazu. Seit ihrem Ausflug auf den Grünen Markt war sie nicht mehr aus dem Haus gegangen, und trotzdem häuften sich die Anfeindungen gegen ihre ganze Familie. Der elende Tod des armen Butz war der grausame Höhepunkt dieser Entwicklung. Und es war ihr nicht entgangen, dass die Kunden in der Offizin immer weniger wurden. Wenn sie blieb, würde die Apotheke wohl mit der Zeit bankrottgehen.
    »Hanna, ich halte es wirklich für das Beste, wenn du eine Weile weggehst«, fuhr Abdias Wolff fort. »Irgendwann muss dieser Hexenwahn ja vorbei sein, und dann holen wir dich wieder zurück. So lange kann das doch nicht mehr dauern. Schau, das Reichskammergericht hat sich ja schon eingeschaltet. Und bis du wieder da bist, ist Gras über die ganze Geschichte gewachsen … «
    »Wie wäre es denn, wenn du den Antoni mitnähmst?« Thea schenkte allen Most nach. »Für den Burschen wäre es ein herrliches Abenteuer! Er könnte in den Niederlanden und in einer so großen Stadt viel fürs Leben lernen. Er würde seine Verwandten kennenlernen. Und er wäre eine Zeitlang weg aus dieser feindseligen Stadt.« Und aus der Gefahr, dachte sie für sich.
    Es rumpelte an der Tür, und Antoni hüpfte in die Stube. »Ja«, schrie er, »ich will mit, ich will mit! Bitte, lasst mich mitgehen!«
    »Du hast aber nicht gelauscht, oder?«, lächelte Johanna.
    Abdias Wolff holte sein Schreibzeug. »Also ist das abgemacht, hm? Ich schicke eine schnelle Nachricht mit dem Schiff nach Frankfurt und von da mit einem Boten, damit Onkel Maurits Bescheid weiß. Und in ein paar Tagen geht ihr auf die Reise.«

    Drei Tage später hatte Abdias Wolff einen Lastkahn gefunden, der Johanna und Antoni am darauffolgenden Montag bis nach Frankfurt mitnehmen würde. Von dort an würden sie die Weiterreise alleine planen müssen, aber es fuhren schließlich täglich Schiffe den Main und dann den Rhein abwärts nach Norden.
    Johanna hatte ihre und Tonis Siebensachen schnell gepackt. Ein paar Kleidungsstücke, Ersatzschuhe, Proviant, das Nötigste eben, alles in eine kleine, verschließbare Reisetruhe gesteckt. Ihr Vater hatte ihr hundert Gulden zum Einnähen in Rocksäume und Innenfutter gegeben. »Nimm’s«, hatte er mit bewegter Stimme gebrummt, »das ist ein Vorschuss auf dein Erbe.« Einen halben Tag lang hatte sie genäht, bis alles gut untergebracht war.
    Jetzt, einen Tag vor der Abreise, saß sie auf einer kleinen Bank im Apothekersgarten und

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