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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Haar und himmelblaue Augen wie unßre Mutter, erinnerst Du dich? Alle tragen recht strenge Gewänder, ohne vil Schmuck und Farben. Die Männer haben grosze Hüt mit preiten Kremppen, enge Hosen und schwere Jacken, daruntter ein Wams mit üppigen weißen Spitzen-Rüschen um den Halß, darzu Kniestrümpf und schwartze Schuh. Überhaupt ist alles an inen schwartz und weiß. Die Weiber haben dunckle Mieder und Röckh, darüber eine Schürtze aus Spitze, und eng anligende weiße Häubchen. Beim Promeniern am Deich legen sich alle einen Rad-Kragen aus Spitze umb den Halß, auß dessen Mitte dann ihr Kopff hervor lugt. Manche vornehmbe Damen wedeln sich die Lufft mit einem gar seltzamen Dingk zu, das ist aus dünn geschnitzten Elffenbeyn-Stäbchen, die mit Papir oder Stoff betzogen und gefalttet sind. Es siehet lußtig aus, wie sie damit fächeln und flattern. Tante Geertje hat erzählt, daß diese Dinger aus dem fernen Land Chyna kommen, und sie will sich auch eins kauffen.
Wer hier etwas auff sich hältt, ist dick. Du solltest Onckel Mauritz, Tante Geertje und den Pieter sehen, die sind rund wie die Krapffen! Man isset hier gern, offt und viel, und trinckt dartzu immer Bier, Bier, Bier. Es heißt, die Niederländer seien die berüchtigtsten Bier-Säuffer der Weltt. Beim Frühstück gibt’s schon warmes Bier mit Mußkat und Zucker, und abends trinckt man das doppelt starck gebraute, das mir immer recht in die Knie fährt. Harlem allein – das ist die Nachbar Stadt, wohin man mit dem Schiff auff dem Kanal fahren kann – soll hundert Brauereyen haben! Zum Bier isst man grosze Mengen gelben Käs. Den gibt’s überall zu kauffen in riesigen Rädern, die rollen die Mägde dann übers Pflaßter heim. Und alle essen jeden Tagk Heringe! Kalt und warm, sauer, saltzig, gebraten, gesotten, mit Butter, mit Biersoß’, mit allem, was Du dir vorstelln kannst. Mir macht’s nichts auß, aber der Toni verzihet schon das Gesicht, wenn er das Wortt ›Heringk‹ nur hört. Nur am Sonntag ist er froh, weil es da stets einen groszen Braten gibt. Stell dir nur vor, Thea, man benutzt hier einen Brathen-Wender, der sich von selber drehet! Er hat Gewichte dran hängen und wirdt auffgetzogen wie eine Turmuhr!
Man nimbt hier vil mehr Gewürtze zum Essen alß bei uns, und es gibt auch vil mehr. Sie kommen mit den groszen Schiffen undt werden auf dem Marckt verkaufft, billiger alß bei uns, aber doch immer noch theuer. Geßtern hab ich zum ersten Mal in meinem Leben einen gantzen Korb voller Pfeffer gesehn. Man verkaufft ihn hier nicht körner-weis, wie zu Bambergk, sondern man wieget ihn in Tüten ab. Ich hab mich gefragt, wie unglaublich vil wol solch ein gantzer Korb Pfefferkörner wertt sei …
Liebste Schweßter, weißt du noch, alß wir vor Jahrn einmal eine Tartuffel probirt haben, die der Onkel Junius auß Nürnberg mitbracht hat? Wie wir auf dem hartten, mehligen Dingk herumgekaut und den Rest am End weg geworffen haben? Denck dir, man muß die Tartuffel nur kochen, dann schmecket sie zwar nit besonderß gut, aber auch nit gantz schlecht. Hier ißt man sie öfters, und der Toni wird sich wol dran gewönen müßen. Die neueste Mode beim Eßen ist der Türkische Waiz, den die Indianer in der Neuen Weltt Mayz nennen. Er ist wie ein groszer Zapfen, an dem rundt herumb kleine gelbe Kügelchen sitzen. Zu Anfangk hat man ihn bloß als Schmuckh in den Wohn-Zimmern verwendet und mehr Lusts wegen in den Gärtten angebaut, aber dann hat man herauß gefunden, daß die Mayz-Samen ein starckes Brot geben, das gut sättiget. Es ist dem Magen aber nit angenehm. Unßer schöns Brot von daheimb ist mir da doch lieber.
Überhaupt gibt es hier so vil Dingk aus der Neuen Weltt zu sehn. Denck dir, der Pieter hat einen Papigey, grad so einer, wie wir alß Kinder einmal in einem Buch geleßen haben! Gantz blau und gelb ist er, und hat einen dickhen schwartzen Schnabel. Er hat ihn Soffie genannt, und wenn man seinen Namen rufet, dann tut er einen Schrey, daß die Leutt auf der Straße vor Schreckh zusammenfahren. Der Pieter holet ihn manches Mal auß seinem Käfigk, und von ihm lässet sich der Papigei auch am Bauche streycheln. Aber andere Leutt mag er nit. Dem Toni ist er neulich auff die Schultter geflogen und hat ihm gantz arg ins Ohr gebißen, daß es gebluthet hat. Und das, obwohln der Toni immer mit ime spricht und ime Nüsslein oder Äpfel füttert.
Jetzo muß ich noch davon ertzäln, wie wir geßtern Besuch bekommen haben. Die Tante hat eine junge

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