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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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gesehen.
    »Tragen wir sie hinauf in ein Bett!« Cornelius fasste die halb Bewusstlose vorsichtig unter den Armen und wartete, bis Kircher mit anpackte. Dann hoben sie die Wirtin hoch und brachten sie in die Schlafkammer im ersten Stock. Sie war leicht wie ein Kind.
    »Heißes Wasser, saubere Leintücher, meine Tasche«, kommandierte der junge Arzt, während er der Frau des Wirts den Kittel auszog. Dann wusch er erst einmal alles Blut von ihrem ausgemergelten Körper. Er presste die Lippen aufeinander, während seine Wut immer stärker wurde. Ihre Finger waren zerquetscht, aufgeplatzt und blutverkrustet, zu unförmigen blauschwarzen Gebilden angeschwollen. Sobald er sie mit dem nassen Lappen berührte, schrie die Frau wie am Spieß. Die Beine waren bis zum Knie hinauf in ähnlichem Zustand; Cornelius fragte sich, wie die Schwartzin es überhaupt geschafft hatte, sich vom Malefizhaus bis hierher zu schleppen. Und ihr Schoß war eine einzige wunde Fläche, rot und entzündet. »Seht Euch das an«, sagte er zu Kircher, der ihm assistierte. »Der Bock«, gab dieser knapp zurück. »Er hat oben einen spitzen Balken, und sie müssen stundenlang drauf sitzen, während der Henker ihn rüttelt. Dazu werden sie mit Ruten geschlagen.«
    Cornelius drehte die Wirtin um, und ihr Rücken bestätigte die Worte des Jesuiten. Es dauerte lange, bis die Striemen und Platzwunden gesäubert und mit Salbe eingeschmiert waren. Die Schwartzin hatte inzwischen aufgehört zu stöhnen, sie war in eine Art Erschöpfungsschlaf hinübergeglitten. Sie schrie erst wieder und bäumte sich auf, als der junge Arzt ihr die Schultergelenke einrenkte. Dann sank sie mit geschlossenen Augen in die Kissen zurück.
    »So etwas habe ich noch nie gesehen«, sagte Cornelius draußen auf dem Gang erschüttert zu Kircher. »Die Gefolterten hat immer der Eberlein versorgt. Mein Gott. Die Finger wird sie wohl nie wieder gebrauchen können, und den linken Arm auch nicht. Die Sehnen an der Schulter sind gerissen. Laufen dürfte sie wieder können. Aber all das auch nur, wenn die Entzündungen abklingen, die überall in den Wunden sitzen. Wenn sie schlimmer werden, stirbt sie. Bei allen Heiligen, Pater, wer kann einem Menschen so etwas antun?«
    Kircher gab keine Antwort.

    Später saßen sie noch eine kleine Weile in der Gaststube und tranken Zwetschgenbranntwein, den ihnen der Wirt hingestellt hatte. Dem, was die Schwartzin ihnen mühsam und mit Unterbrechungen erzählt hatte, war zu entnehmen gewesen, dass man die Ganswirtin am Abend unverrichteter Dinge hatte entlassen müssen. Drei Mal hatte sie alle Stufen der Folter überstanden, ohne ein Geständnis abzulegen. Die Daumenschrauben, den Krebs, den Bock, den Zug. Sowohl die Carolina als auch die Bambergische Halsgerichtsordnung schrieben in diesem Fall die Freilassung vor. Die Hexenkommissare hatten sich an der zarten Frau die Zähne ausgebissen, zum ersten Mal überhaupt. Sie war dem Hexenhaus entkommen. Sie wird ein Krüppel bleiben, dachte Cornelius auf dem Nachhauseweg. Wenn sie überhaupt überlebt. Er ballte die Fäuste und schwor sich, die Ganswirtin am Leben zu halten, und wenn es das Letzte war, was er auf dieser Welt tat.

    Drei Wochen schwebte Barbara Schwartz zwischen Leben und Tod, dann endlich fingen auch die schlimmsten Verletzungen an zu heilen. Den Tag, als seine Patientin zum ersten Mal das Bett verließ, feierte Cornelius wie einen Sieg. Es war sein persönlicher Feldzug gegen den Hexenwahn gewesen, und er hatte ihn erfolgreich zu Ende gebracht.
    Brief Johannas an ihre Schwester Dorothea vom 3.Dezember 1628
Liebste, süeße kleine Schweßter,
ach, wie sehr du mir fehlst, hier in der groszen Stadt! Da gibt’s so vil zu sehen, was ich gern mit dir theilen würdt. Aber dieweiln du nit da bist, muß ich dir’s alles schreiben. Du kannst dir gar nit vorstelln, wie laut Amsterdamm ist! Tag und Nacht lärmt und schreit’s, spielt und singt’s, flucht und streitet’s, klappert und plappert’s! Die Räder der Karren, mit Eisen beschlagen, rollen übers Pflaßter, Pferde wihern, Hunde bellen, Katzen schrein, Vögel zwitschern und Kinder quietschen. Dazwischen das Geschrei der Händtler und Verkäuffer, der Kutscher und Lastenträger. Und die einfachen Leutt gehn hier allesambt in Holtz-Schuhen, die heißen Klomppen! Das klappert lautt auf dem Stein-Pflaßter. Alles ist ein eintziger Krach!
Zu den Männern sagt man hier ›Minheer‹, zu den Frauen ›Mefrouw‹. Die meißten haben so lichtes blondes

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