Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
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Ein Schrei holte Johanna aus ihren Gedanken. Ein Sack Pfeffer war geplatzt, und die winzigen schwarzen Körnchen rollten über das Pflaster, in Pfützen hinein und über den Rand des Kais ins Wasser. Welcher Reichtum ging hier gerade verloren! Kinder stürzten sich mit wildem Geschrei auf die Kügelchen und sammelten auf, was sie konnten.
Irgendwann hörten sie die Glocken vom hohen Turm der neuerbauten Westerkerk den Mittag einläuten und machten sich auf den Heimweg.
Von diesem Tag an hielt es Johanna nicht mehr im Haus ihres Onkels. Täglich ging sie spazieren, zuerst noch in Tonis Begleitung oder der ihrer Verwandten. Sobald sie sich besser auskannte, lief sie alleine los und erkundete die Stadt. Sie liebte das plätschernde Wasser, den Nebel über den Grachten, die kleinen Brücken, sogar die lauten Docks und Werften. Sie liebte das lärmende Leben, das Geräusch der Klompen auf dem Pflaster und das Geschrei der Möwen. Sie liebte es, an den Kanälen zu stehen und zuzusehen, wie die Flut das Wasser steigen ließ. Und sie liebte den Duft der Gewürze, wenn die Händler auf dem Markt ihre Säcke offen stehen hatten und Wölkchen roten, gelben oder braunen Pulvers ihr in die Nase wehten. Was war das alte Bamberg doch für ein behäbiges, langweiliges Nest, verglichen mit dieser Stadt, die das Tor zur Welt bedeutete.
Oft musste Johanna in diesen Tagen an Cornelius denken. Ihm musste es in Italien ähnlich ergangen sein. Er würde verstehen, war hier in ihr vorging. Jetzt erst konnte sie annähernd begreifen, wie er sich gefühlt haben musste, nachdem er in die muffige Enge seiner Heimatstadt zurückgekehrt war. Sie selber zog, nachdem sie nun Amsterdam kannte, nichts mehr nach Bamberg zurück, außer natürlich ihrer Familie. Genauso musste es Cornelius gegangen sein. Und dann, mit einem Mal, wurde ihr klar, dass sie nicht nur ihren Vater und ihre Schwester, sondern vor allem Cornelius vermisste.
Aus den Lebenserinnerungen der Dominikanernonne Anna Maria Junius zu Bamberg, niedergeschrieben im Jahr 1652
Die Bamberger sind nit mehr froh geworden in diesen schweren Zeitläufften. Obwohln Sommer und Herbst des Jahrs 1628 gute Ernte bracht haben, war in der Stadt allüberall groszes Klagen. Beinah alle zwey Wochen war ein Brandt vor dem Langasser Thor, mit drey, vier oder fünf Unholden. Hat man am Anfangk noch einzelne verbrennet, so waren es jezt immer zum mindesten deren dreie, weiln man ja mit dem theuren Holtz sparen mußt. Auch erinner ich mich, dass sich der Henker im Frühjahr einmal beschwerte, weiln er zu viel Pulfer brauchte, das ihm die Malefiz-Kassa nit bezahlen tat. Item er hat gesagt: Die Dürren brennen schlecht, und dick ist keiner mehr, wenn er aus dem Drudenhaus kommt. Darauff hat er mehr Geldts für Brennpulver, Schwefel und Salpetter bekomen. Und unser Kloßter hat auch aus dem Waldt, den der alte Mercklein zu seim Seel-Gerät dem Orden vermacht hat, sieben Wagenladung Holtz dem hochwürdigsten Herrn Fürstbischoff zu Geschenck geben, damit er mit dem Brennen weitter machen kunnt.
In diesem Jar hat auch meyn libe Freundin aus Kindheyts-Tagen, die Christina Wildenbergerin, ihr Leben laßen müßen. Es hieß sie sey eins natürlichen Todts im Malefizhaus gestorben, aber der Büttel hat späther ertzält, sie hab den Bock nit überlebt. Mortua in carcere den 30. 7. anno 1628. Heilige Maria, Mutter Gottes bitt für sie. Wochenlangk hab ich nit schlafen können. Die Christina war der frömmste Mensch, den ich jeh gekannt.
Auch wurd in diesem Jahr die gantze Familie Bittel ins Feuer geführet. Barthel Bittel, der Rath und Handelsmann, sein Weib, beide Töchter und beide Söhn. Sein Schwester, die Clara Riglin, entfloh, niemand weis wie, durch den Ofen-Kamin auß dem Hexen-Hauß und zog darnach vor der Stadt zwei Monat im Elendt umher. Im Herbst hat man sie endtlich wieder eingfangen. Da hat sie sich im Drudenhaus an den Schnürn von ihrm Gürttel aufgehängkt. Gott erbarm sich irer armen Seel.
Item im Winther des Jars 28 und 29 hat man dan in Bambergk von nichts anderm mehr geredt als von der Barbara Schwartzin. Noch im Sommer wurdt sie ins Hexenhaus geholt und über 2 oder 3 Monat torquirt. Aber sie war rein und ohne Schuldt. Darumb hat man sie frei lassen müßen, da war sie mehr todt als lebendig. Item aber, kaum daß sie daheym war, ist keins mer in die Wirtschaft zur Gans gekommen, aus Angst man wird verhext. Nach drey Monat hat der Ganswirt an die Malefizdoktorn
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