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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Freundin eyngeladen, die auß den beßten Kreisen der Stadt stammet. Sie heißt Aaltje Zeventien und ist verwandt mit den Herren Zeventien, die die Ost-Indische Handels-Compagnie leiten. Sie kam mit dem TragSessel, das ist gantz neu in Amsterdamm: Zwei oder vier jungke Männer tragen auf dicken Stangen einen schönen gepolßterten Sitz, die kann man rufen laßen und dann bringen sie einen dahin, wo man will. Das kostet dann einen Stüber oder mehr, je nachdem, wie weitt es ist. Ich hab mir schon vorgestellt, wie es wär, wenn ich nach Bamberg zurück käm in solch einem Sessel!
Die Aaltje Zeventien ist jetzt meine Freundin, das macht mich sehr froh. Sie ist jungk verheirat und hat ein kleins Mädchen mit einem Jar, das ist beim Besuch dabey gewesen. Hier tragen die kleyn Kinder, wenn sie das Lauffen lernen, ein ledernes Kopff-Geschirr zum Schutz, das siehet seltzam aus. Die Kleyne hat ein Kinder-Mädchen, das ist aus dem fernen Batavija, hat geschlitzte Augen und eine gelblich-praune Haut. Reiche Leutte haben solche Kindermägdt hier offt, man nennet sie Babu. Auch viele andere Diener und Mägde kommen auß Ost-Indien oder der Neuen Welt, manche sindt rabenschwartz und haben Haar wie schwartze Wolle, genau so wie der Kaspar vom Fürstbischoff. In unsrer Familie sindt aber keine.
Das alles schreyb ich dir, one daß ich bißhero einen Fuß aus dem Haus gesetzet hab. Ich kanns einfach noch nit, ein Mal hab ich’s versuchet, aber dann hab ich mich doch nit über die Schwelle getraut. Ich vermein immer noch, alle Leut sehn nur mich an. Mein libster Platz ist das Fenßter, da sitz ich offt stunden langk und schau auf die Kalverstraat.
Liebste Thea, jetzt muß ich ein Endt finden, weil schon der Kamin zum Essen angezündt wird. Ach ja, man schüret hier nit mit Holtz, davon gibt es nit viel und das braucht man zum Schiff-Bau. Statt deßen nimbt man Torff, das siehet auß wie fest gepreßte Erde. Der Torff brennet sehr süß und klar mit einer bleichen blauen Flamme.
Schweßterlein, mir gehet es hier gut. Ihr daheimb fehlet mir alle, aber hier vergeß ich langksam das Schlimme, was mir zugestoßen. Es ist ein gantz anders Leben hier. Grüeß mir den lieben Vater, deinen Heinrich, den Onckel Junius und auch die Veronika. Ich schreib bald wieder!
Deine hertzliebe Schweßter Hanna zu Ambsterdam.
 
Hanna sagt ich mus dir waß schreypen so tu ichs und grüs auch schön, dein Pruder Toni.

Amsterdam, Dezember 1628
    Los, komm! Komm endlich! Sonst verpassen wir’s noch!« Antoni war aufgeregt; er stand schon draußen in der Kalverstraat, den Kragen seiner dicken Jacke gegen den Wind hochgeklappt.
    Johanna stand in der Tür und zögerte. Dass es ihr doch noch so schwerfiel, hätte sie nicht geglaubt. Wie tief die Angst vor den Menschen, die Furcht vor neuer Erniedrigung in ihr saß. Geh, dachte sie, hier kennt dich doch keiner! Sie rückte ihre Haube zurecht und zupfte sich ein Strähnchen ihres goldbraunen Haars in die Stirn – es war schon ein ganzes Stück nachgewachsen. Dann gab sie sich einen Ruck und machte kurz entschlossen einen Schritt über die Schwelle.
    Der Wind blies sie an und bauschte ihren weiten dunklen Samtrock. Sie kuschelte sich in ihren pelzbesetzten Umhang und lief zu Toni hinüber, der sie an der Hand fasste und ungeduldig weiterzog. Schritt für Schritt entfernte sie sich von der sicheren Zuflucht des Apothekerhauses. Ihr war, als betrete sie die Welt neu.
    In der Kalverstraat herrschte die übliche Betriebsamkeit. Händler boten in Buden und mit Bauchläden ihre Ware feil, Frauen trugen in großen Körben ihre Einkäufe vom Markt heim. Schwerbeladene Lastkarren rollten mit ihren eisenbeschlagenen Rädern vorbei, Tragsessel wurden im Laufschritt von bulligen jungen Kerlen geschleppt. Ganze Familien waren unterwegs, aber auch vornehme Herren mit Spazierstöcken und federbebuschten Hüten, die achtlos an den bettelnden Kindern vorbeigingen, die in Hauseingängen saßen.
    »Schau, da drüben«, sagte Antoni und stieß sie an, »Juden!«
    Johanna sah zu drei schwarzgekleideten, langbärtigen Männern hinüber, die an einer Straßenecke beieinanderstanden und sich in einer fremden Sprache unterhielten. Sie hatte noch nie Juden gesehen, aus Bamberg waren sie ja schon lange vertrieben. Hier, so hatte sie erfahren, lebten inzwischen viele Juden. Meist waren es Sephardim aus Spanien oder Portugal, aber auch Aschkenasim aus Russland und Polen. Sie alle fühlten sich in den Niederlanden sicher vor Inquisition und

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