Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
Rangordnung, natürlich den Platz neben ihm und hatte bisher noch keine Miene verzogen. Jeder wusste, dass er solch ausgelassene Feiern hasste wie der Teufel das Weihwasser. Dornheim beugte sich leicht zu ihm hinüber und hielt ihm ein silbernes Döschen hin.
»Nehmt doch vom Schnupftabak, mein lieber Förner, er ist ganz exzellent.«
Der Weihbischof sah angewidert auf das braune Pulver hinab. »Danke, Eminenz, aber ich schätze diese neue Sitte des Schnupfens nicht besonders.«
»Aber warum denn nur?«, fragte Dornheim zurück. »Es ist gesund! Und man sagt, der Schnupftabak würde helfen, die Verlockungen der Sinnlichkeit erfolgreich zu überwinden!«
»Dazu brauche ich keine Hilfe«, brummte Förner.
»Ich schon«, gab der Fürstbischof frohgemut zu. »Seht Euch doch nur diese üppige Rothaarige an, die die Columbina spielt. Da könnte man doch glatt … «
»Das Weib ist ein Gefäß der Sünde, Eminenz. Ein Irrtum der Natur, sagt Augustinus.«
»Aber ein hübscher Irrtum!« Dornheim starrte der Schauspielerin ungeniert auf den Busen und winkte ihr zu.
»Die körperliche Schönheit der Frau reicht nicht bis unter die Haut. Wenn die Männer sähen, was sich unter der Haut verbirgt, würden sie sich beim Anblick einer Frau erbrechen. Wenn wir mit den Fingerspitzen keinen Speichelfleck oder Kothaufen anrühren können, wie können wir uns wünschen, diesen Sack voll Unrat zu umarmen?«
Der Fürstbischof verzog beleidigt den Mund. »Also wirklich, mein guter Förner, Ihr könnt einem schon den Appetit verderben. Übertreibt Ihr da nicht ein klein wenig?«
Förner wischte sich beiläufig ein paar Krumen vom Ärmel. »Diese ›kleine Übertreibung‹, wie Ihr es zu bezeichnen beliebt, Eminenz, stammt nicht von mir, sondern von Abt Odo von Cluny.«
»O Gott.« Dornheim verdrehte die Augen. Gerade hatte er im Bett wieder zu seiner alten Form gefunden, schon machte ihm sein Weihbischof das Vergnügen madig. Noch einmal schielte er zu der schönen Schauspielerin hinüber. Und wenn der tadellose Odo hundertmal die Weiber verflucht hat, dachte er, ein Gutes haben sie ja nun doch! Er beschloss, nach der Vorstellung seinen Mohren hinzuschicken. Vor dem Beginn der Fastenzeit, die nun leider auch fleischliche Enthaltsamkeit vorschrieb, konnte man schließlich noch ohne Bedenken über die Stränge schlagen …
Förner war die Missstimmung nicht entgangen, die sich zwischen ihm und dem Fürstbischof breitgemacht hatte. Es war wie jedes Jahr. Und wie jedes Jahr konnte er Dornheim sein Vergnügen einfach nicht gönnen. Er registrierte mit Abscheu, wie Caspar nach Ende der Komödie zu der Rothaarigen hinüberging, die daraufhin in ein ordinäres Lachen ausbrach und mit einem Nicken ihre Zustimmung signalisierte. Abschaum, dachte er und wandte sich angewidert ab. Morgen würde Dornheim wieder zu ihm zur Beichte kommen, wie jedes Mal. Und dann würde er ihm wieder vergeben müssen, was wider die Natur und alle theologische Vorschrift war. Oh, er war es so leid! Was würde es wohl dieses Mal werden? Beiwohnung gegen alle göttlichen Gebote, von hinten, wie es die Schweine und Hunde taten? Oder womöglich mit dem Weib obenauf? Oder, noch schlimmer, Verschwendung des Samens in Öffnungen, deren Bezeichnung einem anständigen Menschen gar nicht über die Lippen kam? Herr Jesus, bat Förner im Stillen, gib mir Kraft, das Böse zu bekämpfen, wo es sich zeigt!
Cornelius betrat den Saal erst, als die Musik schon begonnen hatte. Wie immer hatte er vorher noch einen unaufschiebbaren Krankenbesuch machen müssen, und eigentlich wäre er der Feier im Geyerswörth lieber ferngeblieben. Aber als einer der Stadtärzte war er natürlich eingeladen worden, und eine Absage wäre einem Affront gegen den Fürstbischof gleichgekommen. Jetzt stand er mit seinem Weinpokal in der Hand an einem der hohen Fenster und beobachtete die Leute, während die Stimmung immer ausgelassener wurde.
»Donnerkeil«, sagte da eine Stimme neben ihm, »der alte Junius tanzt ja wie der Lump am Stecken!«
Es war Heinrich Flock, der sich zu ihm gesellt hatte und ihm jetzt zuprostete. Cornelius sah dem Bürgermeister zu, wie er weinselig mit seiner Tochter Veronika durch den Saal hüpfte, und musste lachen. »Und bei mir jammert er, dass er steife Knie hat und Schmerzen in der Hüfte! Aber natürlich, bei so einer hübschen Tanzjungfer … «
Flock grinste und stieß den jungen Arzt vertraulich an. »Wär die Vroni denn nichts für Euch, Doktor Weinmann? Ein
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