Die Seelenburg
nahm er ihr die Fluchtchance. Obwohl Jane ihn nicht sehen konnte, spürte sie instinktiv die Aura von Gewalt und Brutalität, die von diesem Mann ausging.
Wenn sie nach vorn schaute, dann sah sie in die erbarmungslosen Augen des Dämonenrichters.
Die Verhandlung lag bereits hinter ihnen. Sie war eine Farce gewesen, Maddox hatte der Detektivin keine Verteidigungschance gelassen, sondern ihr wahre Haßtiraden ins Gesicht geschleudert. Dabei hatte er grünen Schleim gespuckt und nicht nur sie beschimpft, sondern das Sinclair-Team allgemein.
Jane sollte für das alles büßen, was das Sinclair-Team den Dämonen an Niederlagen beigebracht hatte.
»Und deshalb«, rief der Dämonenrichter, »gibt es nur ein Urteil für dich — den Tod!«
Als er das letzte Wort geschrien hatte, da leuchteten die Augen der anderen. Vor allen Dingen Dodo schaute mit verklärtem Blick auf ihre beiden blutigen Messer.
Maddox sah es und sagte: »Es ist mir egal, wer das Urteil ausführt. Ich habe es nur gesprochen!«
Es wurde wieder still, bis Gordon Schreiber die Stille mit seinen Worten unterbrach. »Dann kann ich bestimmen, wer Jane Collins in die Opferschale legt und tötet?«
»Ja.«
Wieder lastete Schweigen über dem Raum. Jeder schaute den Meister an. Felix meldete sich. »Ich würde es gern tun«, sagte er mit einer etwas nasal klingenden Stimme. »Bitte, ich habe lange nicht…«
»Nein, nein!« kreischte Dodo. »Die Frau ist meine Sklavin. Ich habe ihr den Bruderkuß gegeben!«
»Das stimmt«, erklärte Gordon Schreiber.
»Aber sie hat sich nicht an die Regeln gehalten!« rief Anke Book. »Sie ist hierher gegangen und hat auf sie gewartet. Das darf nicht sein.«
»Doch!« kreischte Dodo. Sie war wie eine Furie und fuchtelte mit den Messern herum.
»Keinen Streit!« befahl der Meister, und die beiden Frauen waren sofort ruhig.
Gordon Schreiber wandte sich wieder an die Detektivin. »Du hast gehört, wie das Urteil ausgefallen ist.«
Jane nickte.
»Hast du noch etwas zu deiner Verteidigung zu sagen?«
Es war eine lächerliche Frage, das wußten beide. Die Detektivin drehte sich um. Der Reihe nach schaute sie in die Gesichter ihrer Feinde. Von dem Meister selbst hatte sie kein Erbarmen zu erwarten, auch die anderen warteten darauf, daß sie sterben würde.
Da war vor allen Dingen Dodo Dorano, die sich so getäuscht sah. Sie hatte auf Jane Collins gesetzt, wollte sie besitzen und hatte ihr bereits den Bruderkuß gegeben.
Das war nun vorbei. Aus der ersten Sympathie hatte sich ein glühender Haß entwickelt.
Dr. Anke Book haßte Jane ebenfalls. Vielleicht weil Dodo sie ihr weggenommen hatte.
Und die beiden Männer? Sie hatten sich bisher am meisten zurückgehalten, doch für Jane würde keiner von ihnen Partei ergreifen.
Die Detektivin sah sich einer Welt von Feinden umgeben.
»Ich warte auf die Antwort«, forderte Schreiber sie auf.
»Nein, ich habe nichts mehr zu sagen«, erwiderte Jane.
»Dann ist es gut. Steigst du freiwillig in die Opferschale oder müssen wir dich zwingen?«
»Ich gehe freiwillig!« Jane verstand ihre eigene Stimme kaum, so fremd kam sie ihr vor.
»Bleib hinter ihr, Dodo!« befahl der Meister. »Wenn sie eine falsche Bewegung macht, stößt du zu!«
»Natürlich werde ich das Biest killen!«
Jane hatte einen Blick über ihre Schultern geworfen. Noch stand Dodo nicht direkt hinter ihr.
Die Detektivin wagte alles. Ihr war es jetzt egal, wie die anderen reagierten, sie mußte ihr Leben verteidigen, und vielleicht schaffte sie es mit dieser Aktion.
Bevor Dodo Dorano noch ihren Platz in Janes Rücken eingenommen hatte, sprang die Detektivin vor. Keiner griff ein, alle waren zu überrascht, und als sie sich endlich entschlossen, da war es bereits zu spät. Jane hatte sich den Dämonenrichter als Zielobjekt ausgesucht und es auch geschafft. Sie stand hinter Maddox, hatte die linke Hand um seinen Hals gelegt und hielt in der rechten ihre Astra, deren Mündung sie gegen die Schläfe des Unheimlichen preßte.
»Keiner rührt sich!« schrie sie.
Die beiden Frauen und die drei Männer blieben tatsächlich stehen.
Ungläubiges Staunen breitete sich auf dem Gesicht des Gordon Schreiber aus. Er schluckte, und sein Adamsapfel hüpfte dabei auf und nieder. Das konnte er nicht begreifen.
Auch Dodo stand auf der Stelle wie zur Salzsäule erstarrt. Ihre Augen waren weit aufgerissen, ebenso der Mund. Sie schaute einmal auf Jane und den Richter, dann auf ihre Messer, deren Klingen noch immer blutig
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