Die Seelenburg
weiter.
Jane fühlte Dodos Hand an ihrer Hüfte. Die beiden Messer hatte die Frau weggesteckt. Sie waren irgendwo im Innenfutter des Umhangs verschwunden.
Mit den Fingern griff Dodo zu. Sie kniff Jane. »Los, Kleine, wir wollen hier nicht anwachsen. Gehen wir zu ihnen.«
»Muß das sein?«
»Stell dich nicht so an!«
Jane Collins blieb nichts anderes übrig, als dem Befehl der Frau zu folgen. Die Gäste und der Meister selbst hatten sich um die ovale Schale aufgebaut. Der Meister stand auf der Schmalseite, während die anderen links und rechts von ihm Aufstellung genommen hatten.
Niemand sprach ein Wort. Es war still. Deshalb klangen die Schritte der Frauen doppelt so laut, als sie auf die Schale zutraten und etwa einen Schritt davor stehenblieben.
Aber so, daß der Meister sie ansehen konnte, ohne erst den Kopf zu drehen.
Er schaute sie auch an.
Zuerst Dodo, die ihr rundes Gesicht in Strahlemannfalten legte, wobei die Augen glänzten.
»Ich habe sie mir als Freundin auserkoren, Meister!«
Schreiber nickte, sonst sagte er nichts.
Dafür mischte sich Anke Book ein. »Das konnte sie gar nicht. Ich bin nicht gefragt worden. Und auch Robert und Felix hätten wohl auch gern mitgeredet.«
Die beiden nickten.
»Keine von euch wird sie bekommen«, sagte der Meister mit ruhiger Stimme.
Da schwiegen die Frauen.
Jane hatte die Worte ebenfalls vernommen, und ihr war es gar nicht recht, daß Schreiber so etwas gesagt hatte. Das konnte nur bedeuten, daß er Jane für sich selbst wollte.
Und sie erhielt auch sehr bald die Bestätigung.
»Ich«, sagte der Meister, und seine Stimme nahm an Schärfe zu, »habe sie geholt. Und deshalb wird sie mir gehören, mir ganz allein.« Er blickte Jane nicht an, als er sprach, sondern Dodo Dorano. »Ich verstehe dich, Schwester«, fuhr er fort. »Du hast ihr den Blutkuß gegeben. Er ist ja noch zu sehen, und deshalb werde ich dich nicht vergessen.«
Dodo verneigte sich. »Ich danke dir, Meister!«
Jane hätte normalerweise über diese Komödie gelacht — wenn sie eine gewesen wäre. Doch hier standen erwachsene Menschen, die mit der Hölle einen grausamen Pakt geschlossen hatten und mit allen Kräften versuchten, diesen Pakt zu erfüllen.
Der Meister sprach weiter. »Wie ihr alle wißt, gehört diese Burg nicht mir, sondern einem Größeren, dem Spuk. Er und seine Diener sorgen dafür, daß wir hier ungestört sind und ihm die Seelen zuführen können. Mit ihm spreche ich über alles. Er ist mit uns sehr zufrieden, er freut sich über jede von euch oder fast jede, denn ich habe mit ihm auch über Jane Collins gesprochen. Als ich den Namen erwähnte, da horchte der Spuk auf. Und plötzlich erklärte er mir, was es mit dieser Jane Collins auf sich hat. Unsere kleine Freundin ist nicht so harmlos, wie sie sich gibt. Im Gegenteil, sie ist eine Feindin der Höllenmächte und eine Feindin des Spuks. Sie arbeitet mit einem Mann zusammen, der John Sinclair heißt und den sie auch den Geisterjäger nennen. Wo Jane Collins ist, befindet sich auch John Sinclair, das kann man ruhig sagen!«
Die Detektivin wußte, was diese Worte zu bedeuten hatten. Sie war durchschaut!
Alles nur Trick, alles nur Täuschung! Gordon Schreiber hatte genau gewußt, wen er vor sich hatte.
Wo Jane Collins ist, da befindet sich auch John Sinclair! So hatte er gesprochen.
Die Detektivin lachte innerlich auf. Wenn es nur so wäre, aber John befand sich in London, und er ahnte nicht einmal, in welch einer Situation sie steckte.
Ein kalter Schauer rann über ihren Rücken, erfaßte ihren gesamten Körper und zog ihn zusammen.
Durchschaut!
Dieses eine Wort brannte in ihrem Gehirn und ließ sich nicht mehr fortwischen.
»Nun, Jane Collins?« Zum erstenmal wandte sich Schreiber seiner neuen »Sekretärin« zu. »Was sagst du dazu?«
»Es stimmt!«
»Ha«, lachte er. »Sie gibt es zu. Habt ihr es gehört? Sie gibt zu, daß sie nicht auf unserer Seite steht!«
Neben Jane stieß Dodo Dorano einen fauchenden Laut aus. »Und dir habe ich vertraut. Dich habe ich zu meiner Sklavin gemacht, und du hast von mir den Bruderkuß bekommen!« Ihre Augen funkelten wild, und plötzlich hielt sie wieder die beiden Messer in den Händen. Es sah so aus, als wollte sie sich auf die Detektivin stürzen, die sicherheitshalber einen Schritt zur Seite trat, doch die Stimme des Meisters hielt Dodo zurück.
»Nein, noch nicht!«
Da senkte Dodo die Arme.
Anke Book aber lachte. Ihr schmales Gesicht verzog sich. »Es freut mich,
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