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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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leid. Aber wenn die Anzeichen schon so deutlich sind … im Allgemeinen nicht mehr viel.«
    »Einige Jahre?«
    Colivars Augen glitzerten im Mondlicht wie schwarzer Onyx. »Bestenfalls.«
    »Schön.« Andovan war nicht in Samt und Seide gekleidet wie ein Prinz, sondern trug braune Wolle in mehreren Schichten übereinander, wie ein einfacher Bauer. Man sah ihm nicht an, dass er von königlichem Geblüt war und von Kindesbeinen an nichts anderes als Reichtum und Luxus kannte. Er kam daher wie ein ganz gewöhnlicher Reisender.
    Vielleicht gelingt es ihm tatsächlich , dachte der Magister. Er hatte getan, was er konnte, um den jungen Mann bei seinem Vorhaben zu unterstützen, er hatte sogar einen Zauber gewirkt, um ihn zu der Frau zu führen, deren Konjunkt er war. Das war jedenfalls der Plan. Versucht hatte so etwas bisher noch niemand. Er konnte die Wirkung des Zaubers weder prüfen noch verstärken, ohne Gefahr zu laufen, in das magische Band hineingezogen zu werden, das die beiden aneinander fesselte. Und natürlich konnte er dem jungen Mann auch nicht erklären, wen er suchte oder was jene Frau ihm angetan hatte. Der Prinz war für Colivar wie eine Brieftaube oder eine Kompassnadel, ein Werkzeug, das ihm helfen sollte, die Gesuchte zu finden.
    Eine machtbegabte Frau , überlegte der Magister. Dafür sollte sich das Experiment doch lohnen. Dafür kann man sogar ein gewisses Risiko eingehen.
    »Ihr müsst das Reich bis zum Morgengrauen verlassen haben«, warnte der Prinz. »Zweifelt nicht an der Entschlossenheit meines Vaters; es wäre nicht das erste Mal, dass er einen Menschen tötet, der über die Macht gebietet.«
    »Ich bin mir dessen bewusst, Ho- … Andovan.« Colivar verneigte sich ehrerbietig. »Aber ich danke Euch für die Warnung.«
    »Nicht Andovan. Das war einmal. Ich werde mir wohl einen anderen Namen ausdenken müssen.« Der Prinz hielt inne. »Seltsam, man braucht kaum mehr als eine Nacht, um den Entschluss zu fassen, das gewohnte Leben aufzugeben, aber viel länger, um sich von einem Namen zu trennen, der doch nur aus einer Aneinanderreihung von Lauten besteht.«
    »Seinen Namen ändern heißt sein Leben ändern«, sagte Colivar ruhig.
    »Ja«, flüsterte der Prinz. »So ist es.«
    Ohne ein weiteres Wort wandte er sich nach Westen und tat den ersten Schritt auf der harten Erde. Kein Laut war zu hören. Er hatte den Gang eines Jägers.
    Aber diesmal gehst du nicht auf die Jagd , dachte Colivar. Du bist nur der … Köder.
    Er wartete, bis der matte Schein der Laterne nicht länger zu sehen war, dann beschwor er die Macht des geliehenen Seelenfeuers und ließ sich Flügel wachsen. Lange, schwarze Flügel, die ihn mit kraftvollen Schlägen durch die Schatten des Waldes davontrugen, aber nicht in die Richtung, wo seine Heimat lag. Noch nicht.
    Er flog nach Westen.
    Irgendwo auf der Welt spürte sein namenloser, unbekannter Konjunkt einen Anfall von Schwäche.
    Wenig später gingen die beiden Monde unter.

Das Erwachen

Kapitel 11
    »Mutter?«
    Beim Anblick der leeren Straße blinzelte der Junge verdutzt. Die Luft war noch erfüllt von den alltäglichen Gerüchen des Lebens – nach dem fettigen Rauch, der aus den Küchenfenstern quoll, nach dem Gestank der Nachtgeschirre, die vor den Wohnungen geleert wurden, und nach dem verschütteten Bier und dem Erbrochenen, die neben der Seitentür der Schenke in der Erde versickert waren – doch sonst war alles leer. Unheimlich leer. Der Junge stolperte ein paar Schritte vorwärts, den Namen seiner Mutter auf den bebenden Lippen. »Wo bist du?«, flüsterte er. Eine blonde Strähne fiel ihm, lieblos gestutzt, über das linke Auge; er strich sie mit schmutziger Hand zurück. »Hallo? Niemand da?«
    Er war am Morgen, verfolgt vom Wutgebrüll seines Vaters, aus dem Haus geflüchtet. Den ganzen Nachmittag hatte er im Moor gespielt, hatte Schlammfestungen gebaut und aus Grashalmen Soldaten geflochten, die unter seinem Befehl Kriege führen mussten. Bei der letzten Schlacht ging es darum, eine schöne Maid aus der Hand eines Menschenfressers zu retten. Der Menschenfresser hatte die Frau geschlagen, nicht nur einmal, sondern so oft, bis ihr jüngerer Bruder weggelaufen war und ein Heer gesammelt hatte, um sie zu rächen. Sie hatten den Menschenfresser besiegt und fortgeschleift, um ihn von den Soldaten zu Tode trampeln zu lassen. Als die Sonne unterging, war die Erde in weitem Umkreis zerstampft, der gräserne Menschenfresser war in Stücke gerissen, und dem Jungen war ein

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