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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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unerfahren und versuchte, gezielt nach dem Angreifer zu schlagen, anstatt nur wild zu zappeln. Aber Andovan ließ nicht locker, und die kraftlosen Tritte und Schläge konnten gegen seinen Arm nichts ausrichten. Nach wenigen Minuten hörte der Widerstand auf. Doch Andovan löste seinen Griff nicht, bis er jene eigentümliche Erschlaffung spürte, die ihm verriet, dass das Leben aus dem Körper gewichen war. Erst dann legte er ihn langsam und so geräuschlos wie möglich auf dem Boden ab.
    Ringsum war alles ruhig, wenn auch nicht völlig still. Andovan drehte sich vorsichtig um, zog die Zweige auseinander und warf einen Blick auf die Lichtung. Die Männer waren so in ihre Unterhaltung vertieft, dass sie nichts gehört hatten. Das verschaffte ihm ein paar Sekunden, um den nächsten Angriff vorzubereiten. Rasch durchsuchte er den Leichnam und fluchte unterdrückt, als er keine Waffe fand. Gerade jetzt hätte er viel für ein Messer gegeben. Er umfasste die geliehene Eisenstange, huschte an seinen vorigen Standort zurück, duckte sich und lauschte.
    Endlich rief eine Männerstimme: »Tomas?«
    Nach einer Pause ließ sich eine zweite Stimme vernehmen: »… müsste doch längst zurück sein.«
    »Tomas?«
    Keine Antwort.
    »Verdammt, wo mag er nur sein?«
    »Vielleicht hat ihn ein Tier angefallen …«
    »Aber dann hätten wir doch etwas gehört!«
    »Wie soll man etwas hören, wenn du ständig schwatzt?«
    »Du hältst doch auch nie den Mund.«
    »Tomas!«
    Andovan stöhnte auf. Er bemühte sich, es so klingen zu lassen, dass der Laut aus jedem Munde kommen konnte und nicht einer bestimmten Person zuzuordnen wäre.
    »Da, verdammt!«
    »Tomas, bist du verletzt?« Andovan sagte nichts. »Mann, ich habe doch gesagt, pass auf, wo du hintrittst. Wahrscheinlich wieder so ein verdammtes Schlangenvieh.«
    »Vielleicht hat sie ihn diesmal in den Pimmel gebissen.«
    Leise murrend stapfte einer der Männer nicht weit von Andovan durchs Unterholz und rief nach seinem vermissten Kumpan. Mehr hätte sich der Prinz nicht wünschen können. Er kauerte sich hinter einen dicken Baumstamm, bis der Bandit vorüber war, dann zog er ihm die Eisenstange über den Hinterkopf. Der Schlag schallte durch den Wald und brachte die Gespräche im Lager zum Verstummen. Das war seine Absicht gewesen.
    »Verfickte Hure!«, fluchte einer der Verbliebenen, dann griffen beide nach ihren Waffen und rannten in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war.
    Jetzt setzte sich auch Andovan geräuschvoll in Bewegung. Die Räuber hörten seine Schritte, bevor sie ihn sahen, und eilten darauf zu. Das war ihm nur recht. Er wich einem Hindernis aus, und als er eine ebene Stelle erreichte, die sich für einen Kampf eignete, drehte er sich um und tat so, als erschrecke er, als er die Feinde auf sich zukommen sah.
    Keiner von ihnen schaute nach unten. Der Erste rannte mit dem Schienbein gegen Andovans Hanfseil und stürzte mit voller Wucht zu Boden. Der Zweite konnte dem Fallstrick gerade noch ausweichen, stolperte aber über die Beine seines Kameraden und fiel auf ihn.
    Im Grunde war es kein wirklicher Kampf. Die Eisenstange verschaffte Andovan die größere Reichweite und war so kalt und hart, dass sie dem Gegner beim ersten Schlag das Bewusstsein raubte. Andovan genoss die Anstrengung, der Angriff berauschte ihn, auch wenn er nur von kurzer Dauer war. Das Blut strömte wie früher kraftvoll durch seine Adern. Die Schwundsucht mochte ihn geschwächt haben, aber noch war er nicht hilflos.
    Als die beiden blutüberströmt und reglos vor ihm lagen, hob er die Eisenstange noch einmal. Doch dann zögerte er. Mit einem ordentlichen Schlag könnte er jeden von ihnen endgültig von seinem elenden Dasein erlösen, falls das noch nicht geschehen war. Sicherlich wären ihm nicht wenige Menschen, Männer wie Frauen, dankbar, wenn er die Welt von diesem Geschmeiß befreite.
    Aber …
    Einen Mann im Eifer des Gefechts zu töten war etwas anderes als ein kaltblütiger Mord. Einem Mann die Kehle durchzuschneiden war etwas anderes, als das Messer bei einem Reh anzusetzen, dessen Fleisch und Fell anschließend zu verwerten waren. Andovan hatte nie davor zurückgeschreckt, ein Lebewesen zu töten, aber es war dabei auch noch nie um einen hilflosen Menschen gegangen, der blutend zu seinen Füßen lag.
    Sie sollten sterben. Sie hatten den Tod verdient. Sie hatten so vielen Menschen Leid zugefügt, dass es eine rühmliche Tat wäre, sie zu beseitigen.
    Lange schaute er auf die

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