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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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verkaufst oder zulässt, dass jemand sie gegen ihren Willen nimmt, dann komme ich zurück. Und ich werde dich finden. Dich und die anderen. Wie ich diese Männer gefunden habe. Wie ich jedes Wild aufspüre.«
    Er zog die Eisenstange unter den Riemen seines Ranzens hervor und schleuderte sie wie einen Speer. Sie bohrte sich neben der Tür in die Erde und blieb zitternd stecken. Das Seil flog hinterher, seine Schlingen waren mit Blut bespritzt.
    »Vergiss es nicht«, warnte er.
    Er hätte gern mit dem Mädchen allein gesprochen, um sich freundlich von ihr zu verabschieden, aber er ahnte, dass der Bruder das nicht zulassen würde. So musste er sich mit einem letzten Blick in ihre blauen, von Zweifel, Verwunderung und schmerzlicher Dankbarkeit erfüllten Augen begnügen. Sein Nicken ermahnte sie, aus seinem Geschenk das Beste zu machen, er könne nicht noch einmal wiederkommen, um ihr zu helfen.
    Die Welt ist grausam , dachte er, und die Menschen sind wie Tiere, die ihre eigenen Jungen fressen.
    Die hämmernden Kopfschmerzen hatten wieder eingesetzt, als er schweren Herzens in den Sattel stieg, sein Pferd nach Westen lenkte und davonritt.

Kapitel 15
    Großkönigin Gwynofar trug schwarz.
    Nicht das reine, vollkommene Schwarz, wie es die Magister aus Schattensubstanz in ihre Gewänder zauberten, sondern ein schlichteres Gewebe, wie es für einfache Bürger angefertigt wurde. Sie trug den Stoff in vielen Schichten übereinander, und jede einzelne dieser Schichten war zerrissen, wie es der Brauch war in den Protektoraten, wo man so lange mit jedem Trauerschrei einen Riss in seine Kleider machte, bis sie in Fransen herabhingen. Mit diesen Fransen tändelte sie nun, während sie auf und ab ging und Gebete an die Götter ihrer Heimat flüsterte. Dabei war sie gar nicht sicher, ob die sie hier in diesem Land überhaupt hören konnten. Manchmal schienen ihr die Protektorate und ihre Götter unendlich weit entfernt zu sein, eine andere Welt … oder vielleicht nur ein Traum, aus dem sie bald erwachen würde, um dann festzustellen, dass ihre Erinnerungen mit der Realität nichts zu tun hatten.
    Sie war eine zarte Frau von nordischem Schlag, mit feiner weißer Haut, unter der bläulich die Äderchen schimmerten, und leicht gelocktem, goldblondem Haar, das sich im leichtesten Wind bewegte. In ihrer Heimat schätzte man ihre ätherische Schönheit, aber es war kein Geheimnis, dass Danton Aurelius für sein Bett handfestere Kost bevorzugte, und seinen Bastarden war meist anzusehen, dass ihre Mütter robuste Huren waren. Sogar ihre eigenen, in Ausübung ihrer ehelichen Pflichten empfangenen Söhne glichen Danton mehr als ihr, und sie konnte sich gut vorstellen, wie sein kraftstrotzender, hakennasiger Samen in ihrem Schoß auftrumpfte und jedem werdenden Kind befahl, seine Züge anzunehmen, sonst … In diesem Fall hätte sich nur ein Sohn widersetzt. Ein einziges Kind war nach ihr geraten und zeigte seinem Vater zum Trotz bei Haut und Haaren die hellere Färbung seiner Mutter.
    Und ausgerechnet diesen Sohn hatte sie nun verloren.
    In Andovan hatte sie die sturmgepeitschten Schneefelder des hohen Nordens gesehen, die tiefen Fjorde, die mit Kiefern bestandenen Berge ihrer Heimat und die flimmernden Götterschleier, die über den Abendhimmel fegten, so schrecklich in ihrer Schönheit, dass man nur auf die Knie fallen und beten konnte. Andovan. Seine Augen waren blau wie der Himmel des Nordens im Sommer, und als sie sie zum ersten Mal gesehen hatte, war das Heimweh übermächtig geworden, und sie war in Tränen ausgebrochen. Er war ihr Kind, das Einzige hier, was wirklich ihr gehörte, das Einzige, was ihr die alten Götter geschenkt hatten, um ihr die grausame Verbannung erträglich zu machen.
    Verloren.
    Wieder zupften die schlanken weißen Finger am Saum ihres Gewandes und zerrissen ihn noch weiter.
    Sie stand inmitten von Blaukiefern, die von ihrem königlichen Gemahl, der mit Geld nicht knauserig war, auch wenn er mit Zärtlichkeit geizte, mit großem Aufwand aus ihrer Heimat in dieses Land geholt worden waren. Die Kiefern wuchsen so dicht, dass sie die Steinmauern dahinter verdeckten, sodass sie sich mit halb geschlossenen Augen tatsächlich vorstellen konnte, sie wäre wieder zu Hause und streifte wie einst in ihrer Jugend frank und frei durch die Berge, anstatt wie eine Gefangene in einem ummauerten Garten zu sitzen.
    Sie hatte Gärtner aus dem Norden geholt und damit beauftragt, die Bäume so zu bearbeiten, wie es im Lande ihres

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