Die Seelenkriegerin - 3
ihres Glaubens starben, fuhren sie offenbar schnurstracks gen Himmel auf.
Wie praktisch für die Könige, denen sie untertan sind , dachte Kamala spöttisch.
Sie drückte ihrem Pferd die Fersen in die Flanken und ritt neben Colivar über die weite Ebene auf die Mitte des Lagers zu.
Tief durchatmen, Salvator.
Es war nicht leicht, sich gegen das rege Treiben im Lager abzuschotten, aber er musste es tun, um sich geistig auf das Treffen vorzubereiten. Er schloss die Augen und bemühte sich, alle Gedanken nach innen zu richten. Ein Absatz aus dem Buch der Meditationen diente ihm als Fokus.
Lausche der leisen Stimme deiner Seele,
denn der Geist des Menschen kennt seinen Schöpfer.
Die Wahrheit komme aus deinem Inneren.
»Alle sind bereit, Majestät.«
Ein letzter tiefer Atemzug, dann nickte er. Über ihm knatterten zwei Fahnen im Wind: auf der einen prangte das Wappen des Hauses Aurelius, auf der anderen das Wappen des Hauses Farah. Gleich hoch, gleich groß, bewegten sie sich in vollkommener Harmonie. Hoffentlich war das ein gutes Omen.
Farah wartete auf ihn. Er war ein stämmiger Mann mit dunkler Haut und schwarzen, durchdringenden Augen, die Salvator an seinen Vater erinnerten. Die schlichten Stammesgewänder und der schwere Goldschmuck wollten nicht so recht zusammenpassen. Aus dem Gold der Ringe an seinen Händen hätte man eine neue Krone für Salvator gießen können. Obwohl er so viele Widersprüche in sich vereinte, war er zweifellos ein Gegner, mit dem man rechnen musste.
Man sah dem Anchasaner an, dass er am Sinn dieses Ereignisses erhebliche Zweifel hatte, dennoch nickte er Salvator wenn nicht herzlich, so doch respektvoll zu. Das genügte. Seit sich die Führer der beiden verfeindeten Nationen zum letzten Mal zu einem persönlichen Treffen bereitgefunden hatten, waren Jahrzehnte vergangen, und jener Versuch hatte in einer Katastrophe geendet. Angesichts dieser Last der Geschichte war heute jede positive Geste von Bedeutung.
Sie wurden von einem Herold ausgerufen und betraten den großen Pavillon Seite an Seite. Farahs Name wurde als erster genannt, weil er zusätzlich die Ehre hatte, den Gastgeber für die gesamte Zusammenkunft zu spielen. So hatten es die Diplomaten beider Seiten nach vielem Hin und Her vereinbart, um auszuschließen, dass am Ende dieses Tages ein Monarch behaupten konnte, bevorzugt worden zu sein. Das Protokoll war eine regelrechte Gratwanderung, gespickt mit so vielen Feinheiten, dass Salvator davon ganz schwindlig wurde.
Im Inneren des großen Zeltes war es schattig und kühl; Salvators Augen mussten sich erst an das Halbdunkel gewöhnen. Der Raum war wie eine Empfangshalle gestaltet, man hatte sogar Buntglasfenster in die Stoffwände eingefügt. Doch das waren Nebensächlichkeiten. Von Bedeutung war hier nur eines, nämlich der schwere Tisch genau in der Mitte, mit den beiden genau gleichen kostbaren Thronsesseln an den Kopfenden. Dahinter hatten sich acht Personen aufgestellt und warteten in ehrfürchtigem Schweigen auf die beiden Könige. Favias, Ramirus, Colivar, Kamala … Die Leute, die Farah mitgebracht hatte, waren Salvator unbekannt, aber der Mann, der dem Sessel des Anchasaners am nächsten stand, trug die unnatürlich schwarze Robe eines Zauberers, es handelte sich also wohl um Sula, den neuen Königlichen Magister.
Die Stühle für die Könige waren von uniformierten Gardisten flankiert, das verstand sich von selbst. Eine symbolische Maßnahme. Wenn einer der anwesenden Magister Farah – oder Salvator – töten wollte, wäre er dazu imstande, bevor die Gardisten auch nur einen Finger rühren könnten. Aber sie würden sich natürlich hüten. Ihr weltfremdes Magistergesetz stand dagegen.
Salvator überfielen jähe Schuldgefühle, denn er wusste, dass Sula ihn nur deshalb nicht töten durfte, weil seine Mutter einen Kontrakt mit Ramirus geschlossen hatte. Er hatte diesem Kontrakt zwar nicht zugestimmt, aber er profitierte davon.
Vergib mir, mein Schöpfer, dass ich aus der Verderbnis anderer Nutzen ziehe.
Die beiden Könige nahmen feierlich ihre Plätze ein. Das übrige Gefolge reihte sich zu beiden Seiten des Tisches auf, wie es das Protokoll vorsah, Salvators Leute auf der einen, die von Farah auf der anderen Seite. Colivar und Kamala hatte man der ersten Gruppe zugeordnet, sie galten als Berater von Ramirus, der seinerseits Ratgeber für Salvators Mutter war … damit waren sie mit Salvator allenfalls indirekt verbunden und schuldeten ihm auch keine besondere
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