Die Seelenkriegerin - 3
sich. In einer Reihe erschienen sechs Portale. Die Trupps, die fast eine Stunde lang geduldig gewartet hatten, gingen lautlos und rasch darauf zu und traten hinein.
Zwei Hexen sollten so schnell wie möglich an jedem Zielpunkt eine traditionelle Barriere errichten. Zwei weitere sollten den Banngesang anstimmen, eine langwierigere Prozedur; sobald die Verbindung zuverlässig stand, würden sie eine dauerhaftere Konstruktion erschaffen. Während sie damit beschäftigt waren, sollten andere Hexen und Hexer sie vor übernatürlichen Angriffen schützen. Soldaten sollten auf herkömmliche Attacken achten. Und wenn alles an Ort und Stelle und die Barriere endgültig geschlossen war, sodass Siderea ihrer Seelenfresser-Königin nicht mehr helfen konnte, sich aus der Falle zu befreien, würden die Trupps der zweiten Gruppe durch die Portale gehen, um alle anderen zu schützen.
Dann käme Kamalas große Stunde.
Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, aber sie bemühte sich, nicht an Colivar zu denken. Er hatte seine Aufgabe erfüllt, nun war die Reihe an ihr. Sie musste sich auf ihre eigene Rolle in diesem Feldzug konzentrieren und durfte sich nicht von Sorgen um ihn ablenken lassen.
Doch etwas in der letzten Bilderserie hatte sie beunruhigt. Nicht so sehr die überwältigende Präsenz eines Ikata – obwohl die wahrhaft niederschmetternd war –, sondern etwas, das fehlte. Es hatte in dieser Vision kein menschliches Element gegeben. In ihm war nichts Menschliches mehr gewesen. Wenn es den Göttern gefiel, war das nicht mehr als eine Besonderheit des Zaubers, mit dem sie die Verbindung zu ihm herstellte und der sein Denken auf die elementarsten Grundzüge reduzierte. Wenn es den Göttern gefiel, hatte er sein menschliches Ich nicht völlig aufgegeben.
Denn wenn er das tat, war sie nicht sicher, ob er jemals den Weg zurückfände.
Sie schlang die Arme um sich und schaute – mehr mit ihrem Zweiten Gesicht als mittels Zauberei – hinaus in die Wüste. Auf der Linie eines riesigen Kreises mit Jezalya im Mittelpunkt flammten Lichtfünkchen auf, als die Hexen nacheinander ihren Platz einnahmen und ihre Zauber wirkten. Über verschiedenen Bereichen der Landschaft bildeten sich flimmernde Wände aus Hexerei, die im Sonnenschein wie riesige Glasflächen glänzten. Die Abschnitte waren nicht völlig gleich, sondern unterschieden sich in Tiefe und Leuchtkraft, und wo sie aneinanderstießen, flirrte und kräuselte sich die Energie wie die Luft über sonnenheißem Sand. So wurde langsam Stück für Stück eine Energiekuppel über Jezalya errichtet, und vermutlich entstand unter dem Sand ein Gegenstück dazu, sodass die Stadt von oben wie von unten wie in einer Kugel vollkommen eingeschlossen war. Es war eine beeindruckende, aber nicht sehr stabile Konstruktion, da sie aus zu vielen verschiedenen Bewusstseinen gespeist wurde; mit ihrem Zweiten Gesicht konnte Kamala zitternde Energieströme ausmachen, die in unregelmäßigen Abständen die Kuppel durchliefen. Wo die verschiedenen Beschwörungen sich berührten, prallten sie aufeinander und entließen Hexenkräfte in dünnen Fontänen in die Luft.
Sie befragte rasch Colivars Ring, um sich zu vergewissern, dass sich Siderea nach wie vor innerhalb der Stadtmauern befand. Seiner Gemütsverfassung nach war das der Fall. Sie nickte Ramirus und Salvator zur Bestätigung zu. So weit, so gut.
Nun begann der Banngesang zu wirken, und Kamala konnte sehen, wie sich die Barriere veränderte. Die Energieschwankungen an der Oberfläche wurden schwächer und hörten ganz auf; die Bruchlinien zwischen den einzelnen Abschnitten verblassten und verschwanden; bald verströmte die gesamte Kuppel ein weiches, gedämpftes Licht, das an keiner Stelle heller oder matter war. Anstelle von unkontrollierten Wirbeln und Strömungen und von Kollisionen an unterschiedlichen Kontaktstellen sah sie nun ein einziges, gleichförmiges Ganzes vor sich, klar und ohne Makel wie ein Kristall. Das Bauwerk schien nicht nur vom Aussehen her verbessert, sondern auch von der Substanz her stärker geworden zu sein. In einer solchen Konstruktion konnte man durchaus eine mächtige Hexe … oder gar einen Magister gefangen halten.
Und das war zum Teil Gwynofars Werk. Kamala hatte die besondere Beziehung der Königinmutter zu den Lyr , die es ihr gestattete, sie alle untereinander zu verbinden, nie so recht verstanden, doch nun war diese deutlich sichtbar. Gwynofar war von dem gleichen geheimnisvollen Licht umgeben, das die
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