Die Seelenkriegerin - 3
Bewusstsein als Duft interpretierte, waren seelische Blutflecken.
Ihr Interesse war vollends geweckt. Sie schickte sich an, die seltsame Spur an ihren Ausgangspunkt zurückzuverfolgen. Mit jedem Berg und jeder Schlucht, die sie überquerte, entfernte sie sich weiter von der zweiten fremden Witterung, und das war ihr nur recht. Was immer dieser süßliche Moschusduft zu bedeuten hatte, sie ahnte, dass sie lieber nicht in die Nähe seiner Quelle kommen wollte.
Und dann umrundete sie eine Biegung und sah die Skelette.
Es waren zwei. Eines gehörte einem riesigen Ungeheuer. Sein Brustkorb war wie eine Höhle, und der lange, gewundene Schwanz erinnerte an einen Python aus sonnengebleichten Knochen. Das zweite lag ein Stück davon entfernt und war etwa um die Hälfte kleiner, gehörte jedoch eindeutig der gleichen Spezies an.
Die Flügel fehlten, dennoch erkannte Kamala sofort, was das für Geschöpfe waren. Genauer gesagt, was sie gewesen waren.
Seelenfresser.
Sie hatten kein Fleisch mehr auf den Knochen, und von den bunt schillernden Flügeln war nichts geblieben. Die Knochen selbst waren weißlich, ebenso die langen, gekrümmten Dornen, die aus jedem Wirbel wuchsen, aber sie hatte nicht den Eindruck, dass sie schon lange genug hier lagen, um von Sonne und Regen so gründlich gebleicht zu werden. Außerdem entdeckte sie ganz in der Nähe die Gebeine kleinerer Tiere, und die sahen alle so aus, wie man es von Kadavern erwartete: vertrocknete Haut und Fleischfetzen hingen wie zerschlissene Wimpel an den knöchernen Masten, alles war mit Blut befleckt, und zwischen den Rippen klebten vertrocknete Maden. Diese Tiere waren offenbar eines natürlichen Todes gestorben. Was also war den beiden Ikati widerfahren?
Kamala beschwor ihre Macht, um der Frage nachzugehen. Das war nicht so einfach, denn sie musste erst eine Verbindung zu ihrem Körper herstellen; ein derart komplexes magisches Werk erforderte ein harmonisches Zusammenwirken von Körper und Seele. Aber sie wollte unbedingt herausfinden, was hier geschehen war, und so suchte sie mit ihrer ganzen Willenskraft den fernen Punkt und stahl so viel Athra, wie sie nur konnte, um das Band zwischen Körper und Geist zu verstärken.
Mit einem Mal brach tiefe Dunkelheit über sie herein, und sie war von der Welt der Lebenden abgeschnitten. Der Tod fegte heran, seine Kälte drang wie mit tausend scharfen Messern in sie ein. Vielleicht würde sie die Translatio in hundert Jahren als selbstverständlich hinnehmen, doch bisher stürzte sie noch unversehens hinein wie in einen eisig schwarzen See, ohne zu wissen, wo die Oberfläche war. Sie geriet in Panik und verlor den Fokus, doch da sprang auch schon der Überlebensinstinkt an. Ein Magister konnte allenfalls ein paar Sekunden durchhalten, ohne Kraft aus einer lebenden Seele zu ziehen; sie musste einen neuen Konjunkten finden, und zwar schnell. Wer in diesem Stadium zauderte, der war verloren.
Sie schickte ihre ganze Willenskraft auf die Suche nach einem geeigneten Opfer. Wer wusste schon, welche Umstände einen Magister zu einem Moratus führten anstatt zu einem anderen? Keinem Zauberer war es bisher gelungen, den Prozess zu steuern oder auch bloß zu begreifen. Die Seele eines Zauberers griff in ihrer Not einfach aus, traf irgendwo, irgendwie auf eine lebende Seele und stellte die Verbindung her. Warum traf der Blitz den einen Baum und nicht den anderen?
Sogleich spürte sie den Brückenschlag und glaubte auch zu spüren, was für eine Seele sie mit ihrer Magie erwählt hatte. Jung, dynamisch und voller Lebensenergie. Eigentlich war es unmöglich, den Standort eines Konjunkten zu bestimmen, aber sie hatte den Eindruck, er sei ganz in der Nähe. Brennend heiß strömte die Energie in sie ein, ein Athra, wie es nur eine lebende Seele erzeugen konnte; sie sog es wie ein Parasit in sich ein, Kälte und Angst wichen von ihr, und neues Leben überflutete ihren Geist.
Und dann, ganz plötzlich, wurde sie aus sich hinausgezerrt und in eine Finsternis gestoßen, die noch schwärzer und schrecklicher war als die Translatio. Eine geistlose Leere entzog ihrer Seele schlagartig alle Kräfte und ließ nur eine leere Hülle zurück. Ihre Gedanken trudelten hinab in einen bodenlosen Abgrund, und sie konnte sie nicht zurückholen. In diesem Augenblick konnte sie keinen Gedanken fassen. Konnte sich nicht schützen. Die Substanz der Finsternis riss wie ein gieriges Raubtier an der Substanz ihres Geistes und trank ihre Willenskraft, als wäre
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