Die Seelenkriegerin - 3
es Blut.
Sie wehrte sich gegen die zerstörerische Flut, doch diese war zu stark. Sie steckte wie ein Beutetier zwischen den Zähnen einer großen Bestie. Ihr Geist versuchte mit aller Kraft, sich loszureißen, um irgendwohin zu flüchten. Aber sie spürte bereits, wie ihre Kräfte sie verließen. Irgendwo in dieser Finsternis lauerte ein schrecklicher Hunger , er kam immer näher und drohte, sie in ein riesiges Maul mit scharfen Zähnen zu ziehen, aus dem es kein Entrinnen gab.
Mit einem mentalen Schrei – halb Angst, halb Trotz – unternahm sie einen letzten verzweifelten Versuch, sich zu befreien. Sie hatte nicht ihr Leben lang nach verbotenem Wissen gestrebt und mit mordlustigen Magistern Fangen gespielt, um jetzt aufzugeben. Was immer ihre Seele fressen wollte, es sollte um jeden Bissen kämpfen müssen. Sie nahm ihre letzten Kräfte zusammen und stemmte sich mit den Resten ihres Willens gegen den Hunger , um das übernatürliche Band zu zerreißen, das sie an ihn fesselte …
Und das Band riss. Mit atemberaubender Wucht. Verletzt und blutend taumelte ihre Seele zurück und bemühte sich, so weit die Orientierung zu behalten, dass sie einen Fluchtweg suchen konnte. Irgendwo aus weiter Ferne kam die Erinnerung an einen Körper, der auf sie wartete, einen Körper, zu dem sie eine enge Beziehung hatte, einen Körper, zu dem sie mit einem einzigen Gedanken zurückkehren konnte …
Sie formte diesen Gedanken. Setzte ihn in Brand und stieß ihn diesem Hunger ins Angesicht wie einem Wolf die lodernde Fackel. Die Finsternis lockerte jäh ihren Griff, und sie spürte, wie sie freikam. Ihr metaphysisches Blut spritzte über die Landschaft, als sich der Rachen des Hungers hinter ihr schloss – aber zu spät, zu spät, die Beute war entkommen …
Sie schlug die Augen auf und rang nach Luft. Wellen der Übelkeit schlugen über ihr zusammen, und sie fürchtete, sich übergeben zu müssen. War sie wirklich zurück in ihrem eigenen Körper? Hunderte von Meilen entfernt vom Ursprung des Hungers , an einem Ort, an den er ihr unmöglich folgen konnte? Heiß stieg ihr die Galle in die Kehle, und sie drängte sie dankbar zurück und war erleichtert angesichts dieses eindeutigen Beweises dafür, dass sie tatsächlich wieder eins war mit ihrem Leib.
Was zur Hölle hatte sie da eben erlebt? Aethanus hatte in keinem seiner Vorträge über Translationen und ihre Gefahren jemals etwas dergleichen erwähnt. War sie der erste Magister, der in eine solche Lage geriet, oder war dies wieder eines der vielen Dinge, über die ihre Standesgenossen nicht redeten?
Erst jetzt wurde sie gewahr, dass sie nicht allein war.
Colivar.
Er stand vor ihr und sah sie mit unergründlicher Miene an. Vielleicht spiegelte sich auch leise Belustigung in seinen Augen. In einer Hand hielt er ein Stück Papier, und sie erkannte die Nachricht, die sie ihm geschickt hatte. Sie hatte es so eilig gehabt, sich auf die Suche zu machen, dass sie wohl versäumt hatte, das Blatt angemessen zu präparieren, und so hatte er es als Anker benutzt, um sie zu finden.
Nichts war gefährlicher, als in den schwarzen Abgrund der Translatio zu stürzen, wenn ein Rivale in der Nähe war. Für einen Magister war es das Ziel aller Wünsche, den Moment abzupassen, in dem ein anderer hilflos war, und ihn irgendwie auszunützen. Hatte er sich an ihr zu schaffen gemacht, während sie in dieser inneren Finsternis gefangen war? Ihr einen posthypnotischen Befehl gegeben, einen Bann um ihren Geist gelegt, ihr ein magisches Zeichen angeheftet, um sie später leichter aufspüren zu können? Die Liste der Möglichkeiten war endlos.
Aber sie war von ihrem Kampf in den Bergen so erschöpft, dass ihr in diesem Augenblick alles egal war.
Sein Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. »Die vereinbarten Verfahren der Kontaktaufnahme erschienen mir angesichts der Dringlichkeit der Lage nicht schnell genug. Deshalb nahm ich mir die Freiheit, dies hier persönlich abzuliefern.«
Sie begriff nicht sofort, dass er ihr das Stück Papier entgegenstreckte. Ihre Hand zitterte vor Schwäche, als sie es ihm abnahm. Er hatte unter ihre Nachricht eine Reihe von geografischen Besonderheiten notiert. Sie ließ das Papier neben sich zu Boden fallen. Dann sah sie ihn an und nahm befriedigt zur Kenntnis, wie ihn erschreckte, was in ihren Augen stand.
»Ich habe etwas gefunden«, flüsterte sie.
Wie schwarz seine Augen plötzlich waren. Wie hungrig. Er öffnete ihr für einen kurzen Blick ein
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