Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
durchquerte, wurde angeblich durstig und gebot der Erde, Wasser hervorzubringen. Das tat sie in so reichlichen Mengen, dass selbst die Götter beeindruckt waren. Und so strömten sie alle an diesen Ort, nicht nur die Götter der Wüste, sondern Gottheiten aus der ganzen Welt. Ein großer Palast wurde gebaut, eine Heimstatt für alle, die dort leben wollten. Bislang kann ich lediglich mit solchen Legenden aufwarten. Aber nachdem wir jetzt wissen, wo wir zu suchen haben, lässt sich sicherlich noch mehr in Erfahrung bringen.«
Sie nickte. Normalerweise wäre es ihr schwergefallen, die Stelle mittels Zauberei zu finden, die Wüste war so gleichförmig, dass es keine eindeutigen Orientierungspunkte gab. Aber wenn ihr tatsächlich die Götter von Jezalya in ihren Träumen erschienen waren, konnte sie vielleicht mit Restenergien arbeiten. Sie schloss die Augen und versuchte sich auf die Gestalten zu konzentrieren, die ihr erschienen waren. Nachdem Aethanus sie benannt hatte, sah sie, dass es sich tatsächlich um Statuen handelte, aber sie spürte auch die Macht, die von ihnen ausging. Handelte es sich wirklich um die Ausstrahlung des Göttlichen oder lediglich um Rückstände der Morati-Gebete? Für ihre Magie spielte es kaum eine Rolle. Jahrhunderte religiöser Verehrung konnten auch eine Skulptur aus Stein und Holz mit eigener Macht erfüllen. Diese Macht begann nun zu wirken, als sie sich im Geiste ins Innere des Kreises versetzte, den Jezalyas Götter gebildet hatten. Helft mir , dachte sie. Weist mir den Weg.
Kamala spürte, wie ihr Bewusstsein sich erweiterte, streckte magische Fühler nach Süden aus und verwendete die Verbindung als Anker für ihre Suche. Sie glitt über Wälder, Meere und Alabasterstädte hin – und kam schließlich zu einem Land, das unter einer gnadenlosen Sonne lag und vor Hitze förmlich glühte. Das echte Jezalya musste gerade in nächtliche Dunkelheit gehüllt sein, das bedeutete, sie sah die Landschaft nicht nur von außen, sondern griff auf die Essenz des Landes zu und legte seine spirituelle Signatur frei.
Brennender Durst umfing sie, nicht aus dem Denken der Menschen oder auch der Tiere geboren, sondern aus dem Land selbst aufgestiegen. Der Durst war noch nicht alt. Früher einmal war hier alles grün gewesen. Bilder aus längst vergangenen Zeiten blitzten auf und verschwanden viel zu schnell wieder, um sie genauer ins Auge zu fassen. Saftiges Gras. Riesige Seen. Herden von Tieren, die umherstreiften, so weit das Auge reichte. Hatte der große Krieg auch dieses Land zerstört, oder gab es eine natürliche Ursache für die Verwüstung? Es fiel schwer, nicht innezuhalten und sich genauer damit zu beschäftigen, aber sie hatte eine Aufgabe zu erfüllen. Sie richtete all ihre Konzentration auf ihr Ziel und drängte alle Ablenkungen zurück, bis nur noch die Wüste existierte.
Sie entdeckte einen Handelsweg. Für ein menschliches Auge wäre er nicht zu sehen gewesen, denn der rastlose Sand hatte alle Abdrücke verwischt, aber mit dem Zweiten Gesicht konnte sie die spirituellen Spuren der vielen hundert Karawanen unterscheiden, die im Lauf der Jahrhunderte diesen Weg genommen hatten. Da war der Weg zur Stadt. Sie folgte ihm mit ihrem inneren Auge, ohne die geisterhaften Echos von Händlern, Soldaten und Lasttieren zu beachten, die vor ihr hier gewesen waren. Wenn die Echos verstummten, glaubte sie manchmal, in der Ferne Jezalyas Götter flüstern zu hören. Sie konnte jedoch nicht erkennen, ob sie ihr etwas mitteilen wollten oder sich lediglich mit heiligem Klatsch die Zeit vertrieben.
Am Rand ihres Blickfelds bewegte sich etwas. Zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort hätte sie vielleicht hingesehen, aber sie musste die Stadt finden und durfte sich nicht ablenken lassen. Doch dann huschten immer mehr Schatten wie aufgescheuchte Fliegen am Rand ihres Bewusstseins entlang. Sie versuchte sie zu ignorieren, doch sie wurden von Minute zu Minute größer, bis einer davon auf sie herabstieß und mit riesigen schwarzen Schwingen die Sonne verdeckte. Kamala musste sich in Erinnerung rufen, dass sie nicht wirklich dort war, wo diese Wesen flogen, und dass nichts in dieser Vision ihr etwas anhaben konnte, außer vielleicht der Hexenkönigin selbst; dennoch schrie ihr jede Faser ihres Wesens zu, die Flucht zu ergreifen. Immer mehr von den monströsen Schatten kreisten über ihr am Himmel. Seelenfresser!
Und dann erblickte sie die Stadt.
Sie war immer noch viele Meilen entfernt, doch sie
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