Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
kurz in die Augen, und was immer er dort sah, schien ihn zu überzeugen. Er nickte grimmig und machte sich daran, die erforderliche Macht zu beschwören. Als seine Zauberei Gestalt annahm, erkannte sie, dass er ihre Absicht verstanden hatte, denn er versuchte erst gar nicht, das Portal vor ihnen zu errichten, sodass sie hineintreten könnten – die übliche Konfiguration –, sondern beschwor es genau dahin, wo sie standen. Das war an diesem Ort ein ungeheures Risiko, denn jeder Fehler in einem solchen Zauber würde sie alle töten, doch wenn Lazaroths Barriere auch nur für einen Moment ins Wanken geriete, wären sie in Bewegung, bevor er sie reparieren konnte.
»Nicht aufgeben«, flüsterte sie. Und drückte seinen Arm fest. »Nicht aufgeben!« Hoffentlich hörte Lazaroth nur die Verzweiflung in ihrer Stimme und glaubte, sie dränge Ramirus, auch weiterhin mit roher Gewalt gegen die Barriere anzurennen. Gut. Sehr gut. Je fester er davon überzeugt war, ihren Plan zu kennen, desto unwahrscheinlicher war es, dass er ihn wirklich durchschaute.
Sie murmelte ein leises Gebet, griff mit ihrer Macht abermals auf das transformierte Gestein zu und entzündete einen Funken in seinen Tiefen.
Der Raum explodierte mit ohrenbetäubendem Krachen. Decke, Wände und Fußboden flogen auseinander. Kein Zauberer konnte sich vor einer solchen Katastrophe rechtzeitig in Sicherheit bringen.
Es sei denn, er hätte bereits ein Portal beschworen.
Lazaroths Zauber war an die Felswände gebunden, und so zersprang mit ihnen auch seine Barriere. Eine Lawine stürzte von allen Seiten auf sie zu, doch gleichzeitig aktivierte sich stockend das von Ramirus beschworene Portal, riss sie von ihrem derzeitigen Standort los und schickte sie – wohin? Welches Ziel hatte Ramirus gewählt? Kamala spürte den entsetzlichen Ruck der Macht und begriff im gleichen Moment, dass sie keine Ahnung hatte. Und dass es ihr gleichgültig war. Steine prasselten auf die drei nieder, bevor sie verschwinden konnten, die ganze Welt schien mit einem Schlag den Verstand zu verlieren, und das Portal beförderte sie …
Irgendwohin.
Kapitel 26
Der Beförderungszauber wirkte mit einem gewaltigen Krach und spie die drei auf einer rauen Sandsteinfläche aus. Eine Trümmerwolke wurde mit herausgeschleudert, als Ramirus und Kamala durch die Tür zwischen hier und dort stolperten. Kamala landete auf den Knien, Ramirus war nahe daran, Colivar fallen zu lassen. Steinsplitter folgten ihnen und rasten wie Armbrustpfeile nach allen Seiten davon – nur um jäh zu Boden zu fallen, als das Portal so schnell verschwand, wie es aufgetaucht war.
Danach war alles still.
Ramirus legte Colivar ächzend auf dem Boden ab. Er selbst war mehrfach von Steinen getroffen worden, und ein dünner Blutfaden lief ihm über die Stirn. Er hob die Hand, säuberte und heilte die Wunden dort mit einer Berührung und versorgte danach seine aufgeschürfte Handfläche auf die gleiche Weise. Kamala untersuchte ihren eigenen Körper auf Schäden und nahm die notwendigen Reparaturen vor. Art und Anzahl ihrer Verletzungen machten deutlich, dass alle drei mit knapper Not dem Tod entronnen waren.
»Ihr macht jedenfalls keine halben Sachen«, murmelte Ramirus.
Sie standen im grellen Sonnenlicht. Kamala kniff die Augen zusammen und sah, dass sie sich auf einem schmalen Tafelberg befanden, der aus dem gleichen rötlichen Stein wie Tefilat selbst bestand. Ein Siegel war in den Boden geschnitten, vermutlich ein Fokus für die Beförderung. Trotz aller Bedenken, in Tefilat ein Portal zu beschwören, hatte Ramirus offenbar schon im Voraus für einen Fluchtweg gesorgt. Weit draußen sah Kamala eine Staubwolke aufsteigen und erriet, dass sie von Tefilat kam … oder von dem, was von Tefilat noch übrig war. Unter ihren Füßen zitterte der Boden, und in der Ferne grollte es wie von einer Sprengung. Eine neue Staubwolke schoss in die Luft und verteilte sich über der Wüste. Sicherlich waren diese Schäden auf ihre Einwirkung zurückzuführen; die geschwächte Felswand gab Stück für Stück nach, und jeder Abbruch löste einen neuen aus. Wenn alles vorüber war, würde von Tefilat so gut wie nichts mehr übrig sein.
Ramirus kniete neben Colivar nieder. Wenn er gehofft hatte, die Flucht aus Tefilat würde dessen Zustand verbessern, so sah er sich getäuscht. Der schwarzhaarige Magister lag immer noch besinnungslos da und starrte ins Leere. Gelegentlich bewegten sich seine Augen, doch Kamala konnte nicht erkennen,
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