Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
Licht erlosch. Sie konnte wieder sehen.
Der Ausgang war verschwunden.
Rasch drehten sie sich um und suchten nach den anderen Türen. Sie waren alle fort. Der Fels hatte sich über ihnen geschlossen wie Fleisch über einer Wunde. Die bunten Streifen zogen sich ohne Unterbrechung über die Wände, als wären sie nie von Menschenhand durchtrennt worden. Nicht einmal mit ihrem Zweiten Gesicht konnte Kamala ausfindig machen, wo die Türen gewesen waren. Es war, als hätte der Raum, in dem sie beide standen, niemals einen Ausgang gehabt – und würde auch nie einen haben.
Ihr Instinkt trieb sie an die nächste Wand. Sie lehnten sich mit dem Rücken dagegen. Eine Richtung weniger, aus der die Gefahr kommen konnte. Man kann einem Magister mit einem einzigen Schwertstreich den Kopf abschlagen , hatte Aethanus seiner Schülerin einst erklärt, solange er das Schwert nicht kommen sieht. War nicht Kostas so getötet worden? Bei keinem anderen Gegner als Lazaroth wären sie in solcher Gefahr. Seine Zauberei wäre sichtbar, selbst wenn sie ihn selbst nicht sehen könnten, und damit bekämen sie bei einem magischen Angriff zumindest eine kurze Vorwarnung.
Durch die Macht einer Seelenfresser-Königin wurde diese Gleichung jedoch von Grund auf verändert. Und Ramirus wusste nichts davon. Er hielt natürlich Ausschau nach konventionellen Warnzeichen. Nach konventioneller Zauberei.
Wir müssen hier raus , dachte Kamala verzweifelt.
Nun breitete sich ein magischer Schimmer über Wände und Decke des Raumes. Sie sah, wie Ramirus stirnrunzelnd das nötige Athra beschwor, um zu ergründen, was der Zauber bezweckte … und wie er scharf die Luft einzog, als es ihm gelang. Sie schaute nach oben und tat es ihm nach.
Die Höhle wurde versiegelt. Nicht hermetisch – kein Magister konnte sich vollkommen von der Außenwelt abschließen, wollte er nicht die Verbindung zu seinem Konjunkten verlieren –, aber mit einer Barriere, die kein Beförderungszauber würde durchdringen können. Lazaroth stellte sicher, dass ihnen kein Fluchtweg blieb, bevor er weitere Maßnahmen ergriff.
Sie durften sich hier nicht einsperren lassen!
Kamala schloss die Augen und rannte mit all ihren Kräften gegen die Barriere an. Ramirus wollte sie mit roher Gewalt durchbrechen, und zunächst unterstützte sie ihn mit ihren Zauberkräften dabei. Lazaroth sollte glauben, sie seien beide ausschließlich damit beschäftigt, damit er gar nicht auf die Idee käme, sich zu fragen, was sie sonst wohl noch treibe. Und dann löste sie sich – leise und behutsam – von Ramirus’ Zauberei, schob Fäden ihrer eigenen Macht durch die schwächsten Stellen in der Barriere und schickte sie weiter in die Sandsteinschichten dahinter. Ein Plan begann in ihrem Kopf Gestalt anzunehmen, und sie rief sich fieberhaft ins Gedächtnis zurück, was ihr Aethanus über die Wirkungsweise der Zauberei beigebracht hatte. Besonders über deren Schnelligkeit. Man konnte nicht schneller zaubern, als man Athra aus seiner Seele beschwören und in die gewünschte Form bringen konnte, wenn aber ein Zauber im Voraus geplant worden war und lediglich durch einen Auslöser in Gang gesetzt zu werden brauchte, konnte er praktisch unverzüglich in Aktion treten. Richtig?
Bete darum, dass ich mich recht erinnere , rief sie ihrem fernen Mentor im Geiste zu. Sonst ist deine Musterschülerin bald nur noch ein hässlicher Fleck auf dem Boden.
Sie verließ sich darauf, dass sich Lazaroth von Ramirus’ Bemühungen ablenken ließ, während sie daranging, den Fels zu verwandeln, von dem sie eingeschlossen waren. Die Innenseite der Wände ließ sie unberührt, um den Gegner nicht misstrauisch zu machen, doch alles dahinter wurde transformiert. Sandstein zu Schwefel – zu Kohle – zu Salpeter. Sie glaubte, das Gewicht des Felsens zu spüren, der auf dem Raum lastete, vom Volumen her nicht anders als zuvor, aber von weitaus geringerer Stabilität.
Dann holte sie ihr Bewusstsein in ihren Körper zurück. Sie zitterte vor Ungeduld. Ramirus war es nicht gelungen, die Barriere zu durchbrechen, selbige stand kurz vor ihrer Vollendung. Sobald sie restlos geschlossen war, würde Lazaroth sicherlich die zweite Phase seines Angriffs einleiten. Sie griff nach Ramirus’ Arm und hielt ihn so fest, dass sie nicht einmal bei einer wahren Höllenfahrt getrennt würden. Er sah sie überrascht an.
»Befördert uns«, zischte sie. Und flehte zu allen Göttern, er möge ihr vertrauen und einfach gehorchen.
Er schaute ihr
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