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Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)

Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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verbunden hatte, alles, woraus er hätte Kraft ziehen können, war durchtrennt. Seine menschliche Geliebte hatte er verloren, und er selbst war vermutlich ohnehin kein Mensch mehr. Seinen Magisterkontrakt mit Farah hatte er von sich aus gekündigt. Er hatte keine menschlichen Aufgaben mehr zu erfüllen, keinen menschlichen Herrscher zu beschützen und, abgesehen von diesem lächerlichen Abkommen mit Salvator, nicht einmal einen sinnvollen menschlichen Befehl zu befolgen.
    Ein Magister ohne menschliche Bindungen war ein wahrhaft beängstigendes Wesen. Es gab nur wenige, die das so klar erkannten wie er.
    Und er hatte das Magistergesetz gebrochen. Sobald er Kamala durchschaut und sich entschieden hatte, nichts zu unternehmen, hatte er seine Bindung an die alte Übereinkunft gekappt und sich von der magischen Bruderschaft losgesagt, die seinen Stand aus der Barbarei herausgehoben hatte. Natürlich waren Jahrhunderte vergangen, seit das Tier in ihm zum letzten Mal zum Vorschein gekommen war, und vielleicht hatte er geglaubt, die Zeit und seine Selbstdisziplin hätten es geschwächt. Doch das war ein Irrtum gewesen. Die Finsternis in ihm mochte vor Jahrhunderten gezähmt worden sein, als man ihr zum ersten Mal die Fesseln des Magistergesetzes angelegt hatte, aber sie hatte nie völlig kapituliert. Und nun waren die Fesseln zerrissen, die Ikati-Königin rief nach ihm, und Colivar hatte nicht den leisesten Zweifel daran, dass er für immer verloren sein würde, wenn er der animalischen Wut nachgab, die jetzt durch seine Adern rauschte und sich auf Ramirus stürzte.
    Doch die Wut war zu stark, Colivar konnte sie nicht mehr halten, und sie schoss, eine primitive, zerstörerische Urgewalt, aus ihm heraus. Er versuchte, die ungeheuren Energien auf etwas anderes als seinen Rivalen zu lenken. Die Erde erbebte, und zwischen den beiden Magistern explodierten die Steine in einem Funkenregen. Dunkelrote Flammenspiralen umwirbelten ihn in einem wilden Reigen, und wenn er ihnen zu nahe kam, verbrannte er sich daran. In Ramirus’ Augen stand Bestürzung, aber keine Überraschung. Die Nähe der Königin übte auch auf Ramirus ihre Wirkung aus, und tief in seinem Inneren, wo sich die Instinkte ihres Standes verkrochen hatten, wusste er, was mit seinem Rivalen geschah. Doch bei ihm wurde die menschliche Seite nach wie vor vom Magistergesetz und durch seinen Kontrakt mit dem Haus Aurelius gestärkt. Noch wichtiger war, dass er nicht Colivars Erinnerungen hatte. Er mochte in diesem Moment das Gefühl haben, in den Abgrund des Wahnsinns zu starren, aber für ihn hatten die Schrecken, die in seinen Tiefen lauerten, keinen Namen, und er hatte sie niemals selbst erfahren.
    Niemand außer Colivar kannte die Wahrheit.
    Dann fiel der Schatten der Königin über die Gruppe, und Colivar konnte endlich den Blick von Ramirus losreißen. Sie schwebte über Gwynofar und taxierte ihre menschliche Herausforderin. Ihr langer Schlangenschwanz bog sich wie eine Peitsche; die großen bunten Schwingen ließen schillernde Flecken über die Erde tanzen. Colivar sah einen bunten Kokon auf ihrem Rücken. Sie hatte die kleineren Flügel nach hinten gefaltet, wie um eine kostbare Fracht zu schützen. Sein Herz machte einen Satz, als er erkannte, was es war – was es sein musste –, und für einen Moment trafen ihn die Erinnerungen mit solcher Wucht, dass sie ihn beinahe in die Knie zwangen. All die Macht, die er nach außen abgeleitet hatte, stürzte nun auf ihn herab. Ein Hitzeschwall schoss ihm in die Lenden. Wenn er diese Energien nicht irgendwie bündelte und auf etwas losließ, würden sie ihn verbrennen.
    Die Bogenschützen warteten. Noch war nicht sicher, ob sich ihr Ziel in Schussweite befand. Ihre Gesichter waren bleich vor Anstrengung, denn sie mussten sich auf die Bewegungen der Königin konzentrieren, ohne sie direkt anzusehen. Es war entscheidend, genau den richtigen Augenblick abzupassen. Zu früh, und die Pfeile gingen ins Leere. Zu spät, und die Kreatur fiele womöglich über Gwynofar her, bevor sie abgeschossen werden konnte. Jeder Mann wusste, dass er sein Ziel vor dem Schuss nur ganz kurz anvisieren konnte, bevor er von der Bannkraft der Königin überwältigt würde. Wenn die besonderen Spitzen an den Pfeilen so wirkten, wie die Mythen es versprachen, dann könnte man allein damit die Ikata vom Himmel holen, allerdings mussten sie die verwundbaren Stellen der Kreatur genau treffen. Theoretisch kannten die Männer diese Stellen. Theoretisch.

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