Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
Stellung in dieser neuen Umgebung bedroht sein könnte? Der leise Verdacht, er könnte verwundbar sein, stellte das Gleichgewicht zwischen ihnen wieder her und weckte ihre stärksten Raubtierinstinkte.
»Und was verschafft mir die Ehre dieses Besuches?«, fragte sie. Dicht unter der Oberfläche ihres Lächelns lauerten messerscharfe Fragen: Wieso dringst du in mein Revier ein? Wie lange willst du bleiben? Was hoffst du mit deinem Kommen zu erreichen?
»Ich möchte mich natürlich unserer neuen Königin vorstellen.«
»Und Euch ansehen, was für eine Frau Ihr in Eure Reihen aufgenommen habt.«
Ein schwaches Lächeln. »Natürlich.«
»Vielleicht wollt Ihr auch den anderen zeigen, dass Euch die neue Königin empfängt, während sie immer noch auf Abstand gehalten werden? Das könnte ihr Selbstvertrauen beim nächsten Flug schmälern und Euch einen Vorteil verschaffen.«
Sein Lächeln bekam einen grausamen Zug. »Wir sind, wie wir sind, Hoheit.«
Das kann man wohl sagen , dachte sie mit Genugtuung. »Nun denn.« Sie breitete die Arme weit aus, eine Einladung, sie zu besichtigen. »Und was seht Ihr?«
Das sexuelle Verlangen in seinem Blick war unverhohlen; Männer, die mit Seelenfressern verbunden waren, schämten sich nicht für ihr Triebleben. »Eine schöne und starke Frau. Eine angesehene Herrscherin, die bereits begonnen hat, abseits der neugierigen Blicke unserer Feinde ein neues Reich für unser Volk zu errichten.«
»Das klingt nach Anerkennung.«
Er schmunzelte. »Welcher Mann würde einer solchen Frau die Anerkennung verweigern?«
Sie lachte leise. »Höfische Manieren hätte ich von Euch nicht erwartet, Nyuku. Kaum einer von Euren Männern denkt auch nur daran, regelmäßig zu baden, geschweige denn, einer Frau Komplimente zu machen.«
»Die Welt der Menschen hat ihre Regeln. Wenn wir hier in Ruhe leben wollen, müssen wir sie erlernen. Das haben die Seelenfresser beim ersten Mal versäumt, und deshalb konnten die Ersten Könige sie in die Verbannung treiben.« Seine Augen waren so dunkel, dass sie fast schwarz erschienen, Iris und Pupille gingen ineinander über, als gäbe es keine Grenze. Wenn man solchen Augen einen Flächenschliff verpassen könnte, würden sie kaum anders aussehen als Ikati-Augen. »Diesmal haben die Ikati natürlich Verbündete. Deshalb rechne ich mit einem reibungsloseren Ablauf.«
»Verbündete wie Euch und mich?«
Die dunklen Augen glitzerten. »So ist es.«
»Und die Königin des Nordens? Was ist mit ihr? Welche Rolle spielt sie bei alledem?« …
Dies war ein Test, und er erkannte es. Sie sah das Zögern in seinen Augen. Wie viel wusste sie bereits? Er wollte nicht derjenige sein, der ihr die schlechte Nachricht überbrachte. Endlich verkündete er in feierlichem Ton: »Die Königin des Nordens ist tot, Hoheit.«
Sie war nicht so unaufrichtig, Überraschung zu heucheln; ihre Miene blieb gekonnt teilnahmslos. »Und ihre Beschützer?«
»Keiner mehr übrig. Ich fand nur noch Skelette.«
»Dann ist meine Königin die Letzte.«
»So ist es.«
Ein kaltes Lächeln der Genugtuung breitete sich über ihre Züge. Ein richtiger Mensch hätte den Ausdruck vielleicht abstoßend gefunden. Doch ein veränderter, mit einem Ikata verbundener Mensch störte sich nicht daran, dass sie den Tod eines Rivalen feierte.
»Aha«, sagte sie. »Das Überleben unserer Spezies …« Sie brach ab und überließ es ihm, den Satz zu vollenden.
»Hängt also von Euch ab, Hoheit.«
Wie viel Macht in diesen wenigen Worten! Welche Verantwortung! Allein die Vorstellung ging schier über ihren Verstand.
»Wie ist sie umgekommen?«, fragte Siderea. Ein weiterer Test.
»Der Großkönig, Salvator Aurelius, ist mit einem Gefolge in ihr Territorium eingedrungen. Man sagt, er selbst habe ihr den Todesstoß versetzt.«
Sein Spitzelnetz war nicht zuverlässig, dachte sie. Oder wollte er sie seinerseits auf die Probe stellen? Trieben diese Männer solche Spiele? »Nein«, verbesserte sie. »Nicht der Großkönig hat ihr den Todesstoß versetzt. Auch wenn man diese Geschichte in der Öffentlichkeit verbreitet … aus naheliegenden Gründen.«
Die aufflackernde Überraschung in seinen Augen entging ihr nicht. Narr! Hatte er geglaubt, sie wäre hier völlig von der Welt abgeschnitten und hätte keine eigenen Spione? Sie könnte nur von ihm und seinesgleichen erfahren, was draußen vor sich ging? Nun, was erwartete sie? Er und seine Männer hatten gewöhnlich nur mit Kindern zu tun, mit jungen
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