Die Seelenquelle
antwortete Kit, dessen Stimme auf dem menschenleeren Platz laut ertönte. »Ich bin dort gewesen, Mina … Und ich weiß, wie man diesen Ort findet.«
VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL
D er Tod von Arthur Flinders-Petrie hätte sich nicht zu einer schlechteren Zeit ereignen können. Das Land befand sich im Aufruhr, und alles war die Schuld des Pharao. Wenn die Krise nicht bald vorüber war, würde das Reich von einem Bürgerkrieg heimgesucht werden.
»Du hattest das Pech, zu einem sehr schlechten Zeitpunkt zu sterben, mein Freund«, seufzte Anen, dann lächelte er reuevoll in Anbetracht der Torheit seines eigenen Gedankens. Für die Jungen und Gesunden kam der Tod immer zu einem schlechten Zeitpunkt, nicht wahr?
Als Oberpriester des Tempels von Amun standen eine Menge Gefolgsleute unter seinem Befehl, doch Anen übernahm persönlich die Leitung der Begräbnisvorbereitungen – aus Respekt vor und zu Ehren einer Freundschaft, die sich über Jahrzehnte erstreckt hatte. Seiner Meinung nach war es keine Frage, dass Arthurs Körper einbalsamiert und ein geeignetes Grabmal vorbereitet werden sollte. Das Einbalsamierungsverfahren – von der rituellen Waschung der Leiche mit Wasser aus dem Nil über ihr Salpeter-Bad bis hin zu der abschließenden Salbung mit Ölen und der Einwicklung in Leinen – würde siebzig Tage dauern. Unter den gegebenen Umständen würde es nicht möglich sein, in solch einer kurzen Zeit ein eigenes Grabmal für Arthur zu errichten; deshalb sollte eine Erweiterung von Anens persönlichem Grab aus dem Stein geschlagen und mit Gemälden versehen werden. Des Weiteren müsste ein hölzerner Sarkophag erbaut werden, um die irdischen Überreste vom verstorbenen Arthur Flinders-Petrie aufzubewahren.
Außerdem würde dies dem jungen Benedict Zeit genug geben, in seine Heimatwelt zurückzukehren und seiner Mutter die traurige Nachricht vom Ableben seines Vaters beizubringen. Alle beide könnten dann zurückkommen, um der großen Beerdigungszeremonie beizuwohnen und die Beisetzung zu beaufsichtigen. Als neues Oberhaupt der Flinders-Petrie-Familie würde Benedict als Gastgeber des Leichenschmauses fungieren. Genau so würde man es machen. Genau so war es immer schon seit Menschengedenken gemacht worden. Die Beachtung der Rituale von Leben und Tod in ihrer angemessenen Ordnung – einschließlich der altehrwürdigen Riten der Einbalsamierung und der Beisetzung – brachte Ordnung in die Angelegenheiten der Menschen, was wiederum zur Ordnung im Universum führte.
Zufrieden darüber, dass er an alles gedacht hatte, rief er Benedict zu sich und teilte ihm mithilfe von Zeichen mit, was alles in den kommenden Tagen gemacht werden musste. Der Junge schien ihn zu verstehen, woraufhin Anen die Anweisung erteilte, einen milden einschläfernden Kräuteraufguss zuzubereiten, und seinen Leibdienern befahl, dafür zu sorgen, dass der gramgebeugte Jugendliche seine Ruhe fand. Danach wandte Anen seine Aufmerksamkeit der Aufgabe zu, Arthurs Leiche für die Überführung zum Per-Nefer , dem Haus der Einbalsamierung, bereit zu machen, damit dort mit dem Prozess begonnen werden konnte, die Leiche für das Leben in der Ewigkeit herzurichten. Doch als das Leichentuch gewickelt wurde, das dazu diente, den Körper beim Transport zu schützen, brach ein Tumult im Hof aus, der diesmal von zornigen Stimmen begleitet wurde, die sich außerhalb der Mauern befanden.
Anen trat aus dem Haus der Ganzheit und des Heilens. Der Mond stand hoch und leuchtete hell; sein Licht ergoss sich auf die heilige Anlage. Anen erblickte im Mondlicht Priester und Tempelsoldaten, die an den Toren herumliefen. Einen der Diener, die gerade an ihm vorbeirannten, rief er zu sich. »Was ist der Anlass für diesen Aufruhr?«, verlangte er zu wissen. »Mir wurde zu verstehen gegeben, dass der Mob fortgegangen ist.«
»Ja, sie sind auseinandergelaufen, o Herr«, antwortete der Diener. »Die Tempelwachen haben sie zum Fluss zurückgetrieben.«
»Ja, und?«, herrschte Anen den Mann an, als ob dies das Ende der Angelegenheit gewesen sein sollte.
Der Diener hob seine Handflächen. »Sie sind zurückgekehrt.«
Mit einem Schnalzen seiner Finger schickte Anen den unverschämten Burschen wieder zu seiner Arbeit und schritt zum Tor, wo sich eine Gruppe von Priestern und Dienern versammelt hatte. »Wo ist Thutmosis?«, wollte er wissen und blickte schnell über die Menge hinweg in der Hoffnung, den Befehlshaber der Tempelwachen zu entdecken. »Er sollte sich mit dieser
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