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Die Seelenquelle

Die Seelenquelle

Titel: Die Seelenquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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Sprache selbst umriss – eine Art Schlüssel, der aufzeigte, wie die Symbole in ihrer Beziehung zu dieser so genannten astralen Dislokation zu interpretieren waren.
    Douglas zog seine Mönchskutte mit Kapuze an und warf einen kritischen Blick auf Snipe, der inzwischen als Laienbruder gekleidet war – und der wahrscheinlich so weit von einem engelsgleichen Wesen entfernt war, wie die Gründer des Zisterzienserordens vernünftigerweise vorausgeahnt haben konnten. Doch nun, da sein helles, drahtiges Haar geschoren und sein ovales Gesicht rosarot geschrubbt war, mochte er für ein Wesen durchgehen, das etwas weniger diabolisch zu sein schien, als er aufgrund seiner natürlichen Veranlagung war.
    »Zieh dein Zingulum straff«, wies Douglas ihn an. »Und mach deine Sandalen fest.«
    Snipe gehorchte murrend. Douglas war zufrieden darüber, dass sie nun bereit waren; er verschloss das Zimmer und machte sich auf den Weg zum Ley. Es war eine dunstige Nacht im Spätherbst, und die Straßen würden dunkel und, wie Douglas hoffte, ziemlich verlassen sein. Das Wetter war kalt, und vom Fluss waren Nebelschleier in die Stadt gezogen. Daher durfte man hoffen, dass sie den Sprung durchführen konnten, ohne unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Mönche, die bei normaler Sicht plötzlich auftauchten oder verschwanden, hatten die Tendenz, eine befremdliche Wirkung auf die Bürgerschaft zu haben; die Uneingeweihten neigten dazu, aus diesem Geschehnis viel Aufhebens zu machen – selbst in einer Stadt, die so weltklug war wie das Oxford des neunzehnten Jahrhunderts. Je weniger dramatisch Douglas ihr geheimes Kommen und Gehen durchführen konnte, desto besser war es.
    Sie verließen ihre Räumlichkeiten im The Mitre , betraten die Queen Street und spazierten zielgerichtet in die Abenddämmerung hinein. »Schau nach der Markierung«, instruierte Douglas seinen Begleiter. »Es sollte etwa direkt …« Sein Blick glitt über den Bürgersteig auf der Suche nach dem Kreidezeichen, das er früher am Tag angebracht hatte. »Da ist es.« Er streckte den Arm nach hinten aus. »Deine Hand, Snipe.«
    Der missmutige Diener legte seine Hand in die seines Herrn.
    »Fertig? Geh schwungvoll los. Bei drei.« Douglas machte einen großen Schritt. »Eins …« Es folgte ein weiterer. »Zwei …« Und noch einer. »Drei …«
    Er spürte, wie seine Füße den Kontakt zum Boden verloren, und dann das stets ein wenig nervenaufreibende Gefühl der Schwerelosigkeit und des Fallens – jedoch nur für einen Schritt. Es folgte der vertraute Stoß durch seine Beinknochen, wenn der Boden unter ihm abermals fest wurde. Der Nebel klärte sich auf, und er sah direkt vor sich dieselbe Straße wie zuvor, nur dass sie diesmal mit Kopfsteinen gepflastert war. Und anstatt Verkehrsampeln gab es Eisenschalen, die an den Kreuzungen aufgestellt waren und in denen Holzscheite brannten.
    Auf den Straßen des mittelalterlichen Oxfords patrouillierten Spieße schwingende Büttel, von denen man erwarten konnte, dass sie Fremde aufgriffen, doch Douglas sah niemanden in der Nähe. Stattdessen vernahm er ein würgendes Geräusch hinter sich und schaute nach hinten. Er sah Snipe, der sich vorgebeugt und die Hände auf seine Knie gelegt hatte. »Wann bist du nur fertig«, seufzte er ungeduldig.
    Während Douglas wartete, hört er, wie die Glocke in der Kirche Saint Martin schlug. »Es muss Komplet sein«, dachte er laut. »Los, Snipe. Wisch dir den Mund ab, und mach schnell.«
    Er machte sich auf den Weg zu der Kreuzung und bog dort nach Süden in die Abbingdon Road ein, die zum Fluss und zur Brücke führte, auf der der alte Verteidigungsturm stand: ein halb zerstörtes Bauwerk, das inzwischen als Bruder Bacons Arbeitszimmer bekannt war – oder von jenen, die eine weniger freundliche Gesinnung besaßen, als Bacons Torheit bezeichnet wurde. Die zwei gingen die Straße entlang; ihre Sandalen verursachten klatschende Geräusche auf den feuchten Steinen. Douglas fragte sich, welcher Tag heute war – oder gar welcher Monat. Entsprechend seinen Mutmaßungen konnte es jeder Tag zwischen Ende November und Mitte Januar sein.
    Das Licht von den Leuchtfeuern an der Kreuzung verschwand, und sie spazierten durch die Dunkelheit, bis sie die Brücke erreichten. Dort waren einige weitere Feuerschalen aufgestellt worden, um die Passage unter dem Turm zu beleuchten. Douglas ging zur Turmseite herum und stieg die wenigen Stufen hoch, die zu der starken Holztür führten. Dort stellte er fest,

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