Die Seelenquelle
nicht vor Gericht verhandelt worden sind und sich als richtig oder falsch erwiesen haben – niemanden sehen und mit keinem sprechen darf, damit er nicht andere mit seinen giftigen Lehren ansteckt.«
»Selbstverständlich«, erwiderte Douglas, der bei seinem Auskunftgeber eine unterschwellige Feindseligkeit spürte. »Zweifellos ist es so, wie es sein sollte.«
»Sicherlich.« Der Geistliche straffte sich. »Nun, wenn es nichts Weiteres mehr gibt, wünsche ich Euch eine gute Nacht.« Er hob die Hand zu einem Abschiedssegen. »Gott möge Euch rasch zur Ruhe geleiten.«
»Und Euch auch, Bruder«, sagte Douglas und trat zur Seite, damit der andere weggehen konnte. Der ältere Kleriker gesellte sich zu seinen Brüdern, die an der Kirchentür auf ihn warteten.
Nachdem alle anderen fort waren, zog Douglas Snipe zur Seite und erklärte: »Wir warten hier, bis alle ins Bett gegangen sind. Du schläfst auch. Ich werde dich wecken, wenn es an der Zeit ist.«
FÜNFTER TEIL
SIEBENUNDZWANZIGSTES KAPITEL
D er milde Abend ging langsam in die Nacht über, während Cassandra und ihre beiden Führer durch die stillen Straßen des alten Damaskus schlenderten und dem Klang der entfernten Kirchenglocken lauschten. Cass, die ein wenig benommen und verwirrt von all dem war, was sie an diesem Tag gehört hatte, befand sich in einer ruhigen, nachdenklichen Stimmung. Irgendwo von einem Minarett erhob sich der monotone Singsang eines Muezzins, der die Gläubigen zum Gebet rief, und hallte in den fast leeren Straßen wider. Das purpurne Abendlicht, das Läuten der Glocken und der tremolierende Gesang passten ihr perfekt.
»Ich weiß immer noch nicht, warum Sie wollen, dass ich mich Ihrer Gesellschaft anschließe«, erklärte sie schließlich. »Ich habe null Erfahrung und weiß fast nichts von irgendetwas von alldem. Ich glaube wirklich nicht, dass es auch nur irgendetwas gibt, was ich Ihnen anbieten kann.«
»Meine Liebe«, erwiderte Mrs Peelstick, »Sie haben genau das eine, was wir am meisten brauchen – Jugend. Der ganze Rest kann erlernt werden.«
»Die schlichte Wahrheit ist, dass die Zetetische Gesellschaft schon eine sehr lange Zeit aktiv und unsere Mitgliedschaft bedauerlicherweise gealtert ist«, hob Brendan hervor. »Wir mögen zwar langsamer altern als unsere Mitmenschen, aber gleichwohl altern wir. Die einfache Wahrheit ist, dass die meisten von uns schlichtweg zu alt sind, um noch länger Abenteuer auf sich zu nehmen.«
»Es ist eine Tatsache des Lebens«, pflichtete Mrs Peelstick ihm wehmütig bei. »Wir alle werden immer älter.«
»Zurzeit besteht unser wichtigster und oberster Nutzen darin, neue Mitglieder anzuwerben und den aktiven Quästoren Unterstützung zu bieten,« führte Brendan aus. »Jeder von uns sucht nach jungem Nachwuchs, aber das ist nicht so einfach. Zum Beispiel haben wir mehrere Mitglieder, die hoffen, gerade jetzt den Staffelstab weiterzugeben, doch solche Übergaben können schrecklich sein. Das Reisen selbst kann Schwierigkeiten bereiten.« Er drehte sich Mrs Peelstick zu und merkte an: »Ich denke dabei an Cosimo und Kit.«
Die ältere Frau zeigte ein wissendes Nicken und seufzte anschließend. »Sie sind ständig in meinen Gedanken.«
»Wir dürfen nicht aufgeben, Rosemary. Solange wir nicht mehr wissen, können wir es uns einfach nicht erlauben, das Schlimmste anzunehmen.«
»Sie haben natürlich recht, Brendan.« Sie lächelte zugleich traurig und hoffnungsvoll. »Dennoch …« Ihre Stimme erstarb und hinterließ ein beklommenes Schweigen.
Cass blickte auf Brendan, doch er schien in Gedanken versunken zu sein. Als sie sich nicht mehr länger zurückhalten konnte, fragte sie: »Bitte entschuldigen Sie, es geht mich ja nichts an – aber wer sind Cosimo und Kit?«
»Ah«, entfuhr es Brendan, dessen Gedanken wieder in die Gegenwart zurückkehrten. »Cosimo Livingstone ist einer unserer Quästoren. Er hat die Absicht gehabt, seinen Urenkel sozusagen in den Schoß der Familie zu bringen – einen jungen Mann namens Christopher, der etwa in Ihrem Alter ist, wie ich glaube. Cosimo hatte erfolglos versucht, seinen Sohn und Enkel anzuwerben, doch in Kit fand er jemanden, der sein Lebenswerk fortführen könnte.«
»Eine solche Verantwortung von einer Generation zur anderen zu übergeben, kann voller Schwierigkeiten sein«, bemerkte Mrs Peelstick.
»Cosimo setzte große Hoffnungen in Kit«, führte Brendan weiter aus. »Und er bereitete den jungen Mann darauf vor, ein vollwertiges und
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