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Die Seelenquelle

Die Seelenquelle

Titel: Die Seelenquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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Verstand hervorzubringen vermochte.
    Die enge Passage in der Höhle barg eine Ley-Linie – das war die einzige Erklärung. Er war unwissentlich über sie gegangen und befand sich jetzt … ja, wo denn? Wenn man nur nach der Landstraße urteilte, gab es vernünftigerweise nur eine Antwort: Es war irgendwo in der modernen Zeit. Mit anderen Worten – eine Welt, die von der Steinzeit so weit entfernt war wie Londons Stadtviertel Marylebone vom Mars. Kit starrte auf die Verkehrsader aus Asphalt, die sich durch das Tal schlängelte und sich eng an die Flusswindungen schmiegte; und der Anblick erfüllte ihn mit Furcht, die an Verzweiflung grenzte. Warum , fragte er sich. Warum gerade jetzt?
    Es hatte eine Zeit gegeben, da wäre er quasi instinktiv als Erstes zu diesem staubigen Streifen geteerter Fahrbahn gerannt und dort auf seine Knie gefallen, um sie für all das zu küssen, was sie bedeutete. Doch darüber war er hinaus. Jetzt wollte er nichts mehr, als wieder in die Höhle einzutauchen und den Sprung zurück durchzuführen, um sich wieder mit seinen Clanmännern in der Höhle zu vereinigen. Seinen Clanmännern! Ein Teil des Fluss-Stadt-Clans zu sein, ihre Sitten und Gewohnheiten zu erlernen, all die kleinen Geheimnisse ihres alltäglichen Daseins – einer anderen Form von menschlichem Leben – zu entdecken … Dies war sein Leben, und er war damit noch nicht fertig, und er war in keiner Weise darauf vorbereitet, sie zu verlassen, ohne sich in irgendeiner Weise von ihnen zu verabschieden.
    »Nein«, murmelte er und schüttelte entschlossen den Kopf. »Nicht jetzt. Nicht auf diese Weise.«
    Er erspähte weit unten am Hang heftige Bewegungen, als die Höhlenlöwin im dichten Gebüsch des Flussufers verschwand. »Tschüs, Baby«, brummte er. »Du gehst deinen Weg, und ich werde meinen gehen.« Mit diesen Worten machte er kehrt und kletterte in die Höhle zurück.
    Kit tastete sich durch das Innere des Höhlengangs und ließ die Welt des Lichts und der frischen Luft hinter sich. Es war eine langsame und nervenaufreibende Art der Fortbewegung, doch seine starrköpfige Entschlossenheit sorgte dafür, dass er immer weiter ging. Als es zu dunkel wurde, um noch irgendetwas erkennen zu können, verschaffte er sich Halt, indem er mit seiner Hand die linke Wand entlangfuhr. So arbeitete er sich vor, bis er den Eindruck gewann, dass der Gang schnurgerade wurde, und er vermutete, dies könnte das Ende – beziehungsweise der Anfang – des Leys sein.
    Er sammelte seine Kräfte für einen blinden Sprung und schritt los. Doch es war schwieriger als erwartet, zu versuchen, in vollkommener Dunkelheit normal und entschlossen zu gehen – wobei er mit der einen Hand ständig die raue Felswand neben sich berührte, und mit der anderen fuchtelte er vor sich in der Luft herum. Nach ein wenig Übung war er in der Lage, eine recht passable Schrittfolge zustande zu bringen; es führte jedoch zu keinen erkennbaren Ergebnissen.
    Er stolperte weiter über den unebenen Boden und wollte den Übergang in die andere Welt unbedingt erzwingen. Als er das Ende des geraden Höhlenabschnitts erreichte, drehte er sich um und taumelte zurück, um wieder von Neuem zu beginnen. Nach zwei misslungen Versuchen, den Sprung durchzuführen, erinnerte er sich an Wilhelminas Ley-Lampe in dem Beutel, den er sich innen in sein Hemd genäht hatte. Er holte sie heraus und schwenkte sie in der Luft herum. Die kleinen blauen Lichter blitzten auf, gaben ein absterbendes Flackern von sich und erloschen. Er ging erst in die eine und dann in die andere Richtung durch die Passage und hielt dabei die Lampe vor sich. Doch es kam kein weiteres Signal, und so war er gezwungen, den Schluss zu ziehen, dass jegliche Ley-Aktivität, die es in der Höhle gab, inzwischen zur Ruhe gekommen war.
    Murrend und zähneknirschend drehte sich Kit auf der Stelle um und kehrte zum Höhleneingang zurück, um zu warten, bis der Ley wieder aktiv geworden war. Draußen war es heiß und sehr hell. Kit brauchte eine ganze Weile, um sich wieder an das Sonnenlicht und die Hitze zu gewöhnen. Schon nach kurzer Zeit schwitzte er in seinen Fellen und wünschte sich, er hätte etwas anderes zum Anziehen. Er legte das lange, schwere kittelartige Hemd ab, rollte es auf und versteckte es sorgfältig unter einem Stein direkt in der Höhlenmündung; er würde es später wieder benötigen.
    Er kehrte zum Hang zurück und nahm die Gelegenheit wahr, das Land genauer auszukundschaften. Es war ein ziemlich trockenes

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