Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seelenquelle

Die Seelenquelle

Titel: Die Seelenquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
Vom Netzwerk:
mordgierigen Fanatiker Saulus von Tarsos heilte und sich mit ihm anfreundete und dann ihm half, sich in der Rolle des Apostels Paulus einzufinden. Ein Schild draußen an der Wand der heiligen Stätte hatte in drei Sprachen Cass darüber in Kenntnis gesetzt, als ob sie nicht schon vermutet hätte, dass sie sich im uralten christlichen Viertel der Stadt befand.
    Der Torweg vor ihr bestand, wie so viele Portale in Damaskus, aus dem charakteristischen, schwarz und weiß gestreiften Mauerwerk. Hinter dicken Eisenstangen gab es ein kleines, völlig verstaubtes Fenster, durch das man in einen Raum sehen konnte, der ein schäbiges, kleines Buchgeschäft zu sein schien.
    Cass erblickte verwahrloste Regale und einen Tisch, auf dem sich hohe Stapel aus Büchern und Broschüren befanden. Das Herz wurde ihr schwer. Ein Buchladen? War das alles, was es hier gab – irgendeine Art von merkwürdiger Sekte, die Leute mit ihren abstoßenden Schriften bedrängte und versuchte, ahnungslose Trottel zu ihren okkulten Glaubensvorstellungen zu bekehren? Die Enttäuschung war so groß, dass Cass’ Mundwinkel nach unten fielen. Wie konnten sie es nur wagen, dachte sie – einfach Plakate aufzukleben, die Hilfe versprachen, um auf diese Weise leichtgläubige Reisende hier in den Laden zu locken. Diese Leute sollten sich was schämen! Diese und andere Gedanken kamen ihr in den Sinn, als sie sich völlig entrüstet umdrehte, um fortzugehen. Sie war angewidert von diesen Leuten, die so dreist logen, und von sich selbst, weil sie auf der Grundlage eines solch schwachen Belegs – eines handgeschriebenen Plakats – sich so großen Hoffnungen hingegeben hatte.
    Ohne Zweifel hatte das Herumspringen zwischen den Welten oder Dimensionen oder was auch immer – wobei sie sich in jeder zweiten Minute an einem neuen Ort wiederfand – ihr Urteilsvermögen momentan über den Haufen geworfen. Das durfte nicht mehr so weitergehen. Sie musste ihren wissenschaftlichen Verstand mit seiner ganzen Präzision auf ihre vorliegende Situation anwenden, und sie würde noch in diesem Augenblick damit beginnen.
    Mit einem letzten verächtlichen Blick auf den Laden trat sie von ihm fort und begann, die Straße entlangzugehen. Plötzlich hörte sie hinter sich ein klickendes Geräusch, und sie drehte sich um. Die glänzende schwarze Tür öffnete sich. Eine stämmige, ältere Frau mit glattem weißem Haar, das zu einem kurzen Bob geschnitten war, streckte ihren Kopf heraus. »O!«, rief sie. »Ich habe Gesellschaft. Ich habe mir schon gedacht, dass ich jemanden auf der Stufe gehört habe.« Sie trug eine langärmelige Bluse mit einer großen Jade-Brosche am Hals, einen grünen Schottenrock, vernünftige braune Schuhe und eine kleine Brille mit Drahtgestell, durch die sie prüfend auf ihre Besucherin blickte. Dabei zeigte sie das dünne Lächeln einer strengen, älteren Tante oder einer schottischen Lehrerin à la Miss Jean Brodie, die in ihren besten Jahren keinerlei Unsinn in ihrem Klassenzimmer duldete. Die Frau drückte die Tür etwas weiter auf. »Sie müssen hereinkommen, meine Verehrte.«
    »Sie sprechen Englisch«, stellte Cassandra mit einiger Erleichterung fest. »Ich meine … Das heißt, ich habe nach der Zetetischen Gesellschaft gesucht.«
    »Und Sie haben sie gefunden.« Die Dame trat zur Seite. »Bitte, hier entlang.«
    »Nein, ich … Ich wollte gerade fortgehen. Ich glaube, ich habe einen Fehler gemacht.«
    »Wenn Sie schon den ganzen Weg gekommen sind, dann ist es sicherlich kein Fehler«, erwiderte die Frau, deren Aussprache deutlich und präzise war, jedoch ein wenig abgehackt.
    Sie sprach ihre Worte mit einer so großen Überzeugung, dass Cass dazu gebracht war, ihr zuzustimmen. »Nun, vielleicht nur für einen Augenblick«, erklärte sie.
    Cassandra schritt über die Schwelle und betrat das Buchgeschäft. Im Inneren war alles irgendwie gedämpft – das einzige Licht kam vom Fenster, auf das sich eine Schicht aus Alter und Staub gelegt hatte. Doch der Laden selbst war ziemlich sauber; und das mit Kissen überladene Sofa und die dick gepolsterten Sessel ließen ihn wie ein altmodisches Lesezimmer oder eine Privatbibliothek aussehen. Die Frau schloss die Tür und sah Cass über ihre Brille hinweg an. Cass roch einen Hauch von Lavendelwasser.
    »Was bringt Sie hierher, wenn ich mir erlauben darf zu fragen?«
    »Nach Damaskus?«
    »Zur Gesellschaft«, erwiderte die Frau, die dieses Wort mit großem Nachdruck betonte. Bevor Cass eine Antwort geben

Weitere Kostenlose Bücher