Die Seelenräuberin: das zweite Abenteuer von Lyala Mendes, dem weissen Werwolf (German Edition)
überbringen, die sie betrafen. Eine Dorfversammlung berief sie nur dann ein, wenn sie etwas ganz wichtiges, dass das ganze Dorf betraf, zu verkünden hatte. Deshalb waren die Leute auch sehr neugierig und trafen schon frühzeitig am Versammlungsort ein.
Ajllasga ließ wie gewohnt auf sich warten. In ihr hatte sich der feste Glaube festgesetzt, dass die Leute auf sie zu warten hätten. Dass dies eine Art Ehrbezeichnung für sie sei. Und niemand wagte, sich da dagegen aufzulehnen. Es war eine der Aufgabe von Asha genau dies zu verhindern.
Letztendlich kam dann Ajllasga doch. Sie war in das Fell eines großen Jaguars gehüllt. Dadurch sah sie fast aus, wie Asha, der grimmig blickend neben ihr her ging. Am Hauptplatz angekommen stellte sich Ajllasga auf einen großen Stein, der extra für diese Versammlungen von einem Hügel herbeigeschafft worden war. Von diesem Stein aus hatte Ajllasga einen perfekten Überblick über das Dorf, und konnte selbst von jedem der anwesenden Dorfbewohner gesehen werden. Ajllasga drehte sich einmal um die eigene Achse. Die Menschen gaben keinen Laut von sich. Ajllasga brauchte keine großen Gesten, um die Leute zu fesseln. Nachdem sie eine ganze Umdrehung vollendet hatte, begann Ajllasga zu sprechen:
„Der Jaguar Gott, der mein Vater war, hat im Traum zu mir gesprochen! Er ist unzufrieden mit uns!“
Dann machte Ajllasga eine Pause, während die Menschen Töne der Verwunderung von sich gaben. Ajllasga gab Asha ein Zeichen, der ein lautes Fauchen hören ließ. Augenblicklich war wieder still und Ajllasga fuhr fort:
„Mein Vater dürstet es nach Gemeinschaft. Er ist einsam.“
Wieder machte Ajllasga eine Pause, aber diesmal wagte sich niemand auch nur einen Ton von sich zu geben. Trotzdem machte Ajllasga eine längere Pause bevor sie wieder zu sprechen begann:
„Er will, dass in jeder dritte Vollmondnacht eine Jungfrau, die ich persönlich aussuchen werde, in den Dschungel gejagt wird. Diese Jungfrau wird ihm dann für diese Nacht Gesellschaft leisten. Die erste Frau wird beim nächsten Vollmond ausgewählt.“
Sie sah sich noch einmal im Dorf um, dann nickte sie und sprach feierlich:
„So sei es!“
Damit sprang Ajllasga vom Felsen und ging davon, gefolgt von Asha, dem sein Herz fast zu zerspringen drohte. Angekommen in ihrer Hütte sagte sie dann nur:
„Asha, Du wirst nun doch Deine Familie haben!“
Asha konnte es fast nicht glauben. Sie half ihm wirklich. Es war offensichtlich, dass sie dabei nur ihren eigenen Vorteil in den Augen hatte, aber das war Asha in dem Moment egal.
Er konnte es kaum erwarten, bis die nächste Vollmondnacht herankam. Viel zu langsam gingen die Tage bis dahin vorbei. Zwei Tage vor dieser Vollmondnacht berief Ajllasga einige junge Mädchen, im Alter von circa 16 Jahren zu sich. Die mussten sich in einer Reihe vor ihr hinstellen. Ajllasga ging langsam die Reihe entlang, wobei sich ihre Nase auffallend bewegte. Offensichtlich roch sie an den jungen Mädchen. Als sie die Reihe komplett abgegangen war, zeigte sie auf eines der Mädchen und sagte:
„Du sollst es sein. Finde Dich in zwei Tagen eine Stunde vor Sonnenuntergang hier bei mir ein!“
Damit waren die Mädchen entlassen und auch Asha, der diese Szenen natürlich mit großem Interesse verfolgt hatte, verließ die Hütte.
In den nächsten zwei Tagen konnte Asha weder essen noch schlafen. Zu groß war seine Anspannung. Am Tage der Zeremonie konnte er seine Nervosität fast nicht mehr im Zaum halten und wurde von Ajllasga zweimal scharf getadelt. Dann wurde es endlich Nachmittag. Wie befohlen fand sich das auserwählte Mädchen zur festgesetzten Zeit in der Hütte ein. Sie zitterte am ganzen Körper. Offensichtlich hatte sie Angst, die Nacht nicht zu überleben. Ajllasga gab ihr ein traditionelles Kleid aus weißer Alpakawolle, das sie speziell für diesen Tag hatte anfertigen lassen und befahl dem Mädchen, es anzuziehen. Dann befahl sie dem Mädchen, sich auf den Bauch zu legen, beide Arme im 90° Winkel von sich gestreckt. So sollte sie meditieren, bis die Sonne unterging. Asha machte sie ein Zeichen, er solle sich in südlicher Richtung im Dschungel verstecken, ohne dass ihn dabei jemand sah. Das war gar nicht so leicht, denn Ajllasgas Hütte lag genau in der Mitte des Dorfes. Also ging Asha, als ob er einen Auftrag von Ajllasga auszuführen hatte, mit stolz erhobenem Kopf in Richtung des südlichen Dorfrands. Dabei fauchte er jeden an, der es wagte ihn auch nur anzusehen. Angekommen an
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