die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin
Rhia”, murmelte Coranna. „Die Männer und Frauen, die fallen, müssen alle wie Fremde für dich sein. Auch wenn sie in Reichweite sind, müssen sie dir wie am anderen Ende dieses Feldes erscheinen. Sag dir, dass du sie nicht kennst.”
„Das kann ich nicht.”
„Wenn du deine Pflicht erfüllen willst ...”
„Gehört zu meiner Pflicht nicht Mitgefühl? Verständnis?” „Du musst lernen, ihren Schmerz zu verstehen, ohne ihn zu teilen. Sonst wirst du nutzlos.”
Nutzlos. Das Wort brannte in Rhias Gedanken wie ein Mal, das nicht verblassen würde.
„Sie kommen”, sagte Coranna.
Drei Ponys trotteten aus dem Rauch, die Tragen voller Menschen hinter sich herzogen. Einige der Verwundeten wanden sich vor Schmerz, andere lagen still wie Holzstämme.
Krähes Schwingen rauschten lauter, als sie es je gehört hatte, in Rhias Geist und übertönten die leidvollen Schreie und das Flehen um Hilfe. Ihr Vater führte das erste Pony und hustete. Sein Gesicht war bereits vom Rauch geschwärzt. Sie hatte keine Zeit, ihn zu beachten, sondern ging direkt zur Trage.
Der oberste Mann war bereits tot, ausgeweidet bis zu dem Punkt, wo es so schien, als hinge mehr von ihm außen als innen. Als sie ihn ansah, rauschten die Schwingen noch einmal laut auf, dann wurden sie wieder leise. Mit einer Hand auf der Stirn des Toten murmelte sie schnell das Gebet des Ubergangs und bedeutete Tereus, den Körper zu entfernen. Er rollte ihn auf den Boden.
Der Mann, der halb unter der Leiche gelegen hatte, rang nach Luft und klammerte sich erleichtert an die neu gewonnene Freiheit. Rhia griff nach seiner Hand und starrte in seine grünen Augen, von denen eines mit frischem Blut überzogen war, das aus einer Wunde an seinem Kopf lief. Es war Bolan, einer von Areas’ Freunden, ein Pferd – kein großer Krieger, nur ein treuer Asermonier, der bereit war, sein Leben zu riskieren.
Nein, sagte sie sich selbst. Er ist niemand. Er hat keinen Namen, keinen Geist, keine Freunde. Er ist einfach eine Seele, die entweder bleibt oder geht. Sie sah ihm in die Augen und befreite ihre Gedanken.
Flügel schlugen und entfernten sich, und es blieb nur ein anhaltendes Rauschen, das baldige Rückkehr verhieß.
Rhia winkte einem Heiler, der in der Nähe stand. „Der hier kann gerettet werden. Mach schnell.”
Sie wandte sich dem dritten Mann auf der Trage zu.
Er war ein Nachfahre. Ein sterbender Nachfahre.
Krähe ließ das Donnern von Flügeln hören, und ehe Rhia sich fragen konnte, warum der Geist jemanden zu sich nahm, der nicht an ihn glaubte, fand sie sich auf Knien neben dem Mann wieder. Sein Mund öffnete und schloss sich wie der eines Fisches auf dem Trockenen.
Kein Blut befleckte seine Uniform oder seine Rüstung, und auch sein Kopf schien keine Verletzungen aufzuweisen. Was brachte ihn um? fragte sie sich.
Er riss an seinem Hemd, und sie öffnete es für ihn. Ein schrecklicher schwarzvioletter Fleck breitete sich auf seiner Brust aus, die aussah, als wäre sie eingedrückt. Einer ihrer Leute musste ihn mit dem stumpfen Ende einer Lanze oder dem Griff seines Schwertes erwischt haben.
Die Augen des Nachfahren weiteten sich vor Schmerz, und seine Beine zappelten in der Luft, als ob er im Rennen mehr Luft bekommen könnte. Auch wenn andere sie brauchten, fasste sie nach seiner Hand, als sein Mund sie wortlos um Hilfe anflehte.
„Er kommt gleich zu dir”, flüsterte sie. „Er kommt.”
In ihrer Tasche befanden sich Kräuter, um die Schmerzen des Mannes zu lindern, aber sie konnte nicht danach greifen, ohne die Hand des Mannes loszulassen. Ihre Berührung und ihr Gebet schienen ihn zu beruhigen, und sie spürte, wie er aufhörte, zu kämpfen. Wenige Augenblicke später starrte er durch sie hindurch ins Leere. Sie zwang sich, seine Hand loszulassen, und winkte ihren Vater herbei.
„Er ist tot. Schafft beide Leichen beiseite.”
Tereus versuchte, ihren Arm zu berühren. Sie wich ihm aus. „Ich brauche keinen Trost”, sagte sie. „Zeig mir die anderen.”
Sie wiederholte die schreckliche Prozedur an der nächsten Trage. Ein Toter, zwei Verletzte, einer von ihnen lebensbedrohlich. Sobald ihr Vater und die zwei anderen Ponyführer im rauchigen Schlachtfeld verschwunden waren, kamen drei weitere mit weiteren Verwundeten.
Die Körper verschwammen Rhia vor den Augen – einige Asermonier, ein paar Nachfahren, sogar ein oder zwei Kalindonier, auch wenn alle Bogenschützen noch lebten und kämpften, obwohl ihre Aufgabe durch den dichten Rauch,
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