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die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

Titel: die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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Schritte, um nicht auszurutschen. Rhia versuchte, sich einzureden, dass der einzige Unterschied zwischen diesem Ort und dem Krankenzelt die Frische des Blutes war. Doch hier überwältigten sie die Schreie der Sterbenden, die noch lauter waren als das Schlagen der Krähenflügel.
    Als sie endlich an Nilos Seite treten konnte, kniete Alanka bereits neben ihm. Sie versuchte, ihn umzudrehen, aber die Hände zitterten ihr zu sehr, um seine Schultern zu fassen zu bekommen. Tereus half ihr, während einer der jungen Bären das Pony festhielt.
    Rhia sah, wie Lycas wie von einem unsichtbaren Seil gezogen auf das Feld zuging. Sie schrie seinen Namen, um den Lärm der Schlacht zu übertönen.
    Der Mann, der stehen blieb und sich zu ihr umsah, war ein Fremder. Blut verklebte ihm die Haare, die ihm wild auf die Schultern fielen. Das Grün und Schwarz der Kriegsbemalung auf seinem Gesicht lief seinen Hals und seine Brust hinab. Alle Waffen steckten in ihrer Hülle und warteten auf ihren nächsten Einsatz.
    Rhia trat zurück, und Lycas wandte sich wieder ab, um seinem Bruder auf die einzige Art Ehre zu erweisen, die er kannte.
    „Rhia, wir brauchen dich”, rief Tereus.
    Sie sah zu, wie Lycas mehr als hundert Schritte entfernt in einem weiteren Gemenge verschwand, und wandte sich dann dem Rest der Familie zu.
    Zu wissen, dass Nilo tot war, war das eine; zu sehen, wie seine leblosen Augen in den Himmel starrten, und die Stille zu hören, die mit dem Abheben einer Krähe einherging ...
    Vor den Füßen ihres Bruders sank sie auf die Knie und konnte nichts tun, außer wie aus weiter Ferne auf seine Gestalt zu starren, die in ihrem eigenen Blut schwamm. Man hatte ihn mitten ins Herz getroffen.
    Die Mauern, die sie um sich errichtet hatte, begannen zu bröckeln, und sie stand schnell auf, um sich zu entfernen, damit sie sich nicht auf den Boden werfen musste.
    „Warte!”, rief Tereus. „Was ist mit dem Gebet des Uber-gangs?”
    Sie hielt in ihrer Flucht inne und drehte sich zu ihrem Vater um.
    Tereus’ Augen blitzten. „Worauf wartest du? Wenigstens das hat er verdient. Er ist dein Bruder!”
    Sie streckte die Hand aus, aber die Füße versagten ihr den Dienst.
    „Ich tue es”, sagte jemand an ihrer Seite. Coranna war ihnen gefolgt. Sie ließ sich neben Nilos Kopf auf die Knie sinken.
    Rhia schwammen die Augen vor Tränen, und sie presste die Handballen dagegen. Sie durfte nicht weinen, denn dann konnte sie nicht sehen, was geschah. Nur eine einzige Träne machte ihrer Fähigkeit, Krähe ehrenhaft zu dienen, ein Ende.
    Aber ihr Bruder brauchte sie.
    „Nein.” Rhia trat vor. „Lass mich.”
    „Bist du sicher?” Mahnend sah Coranna sie an. „Du stehst ihm nah. Es wird dir wehtun.”
    „Dann tut es das eben.” Rhia kniete sich ihrem Vater und Alanka gegenüber neben Nilo und nahm ihren Bruder bei der Hand. Sie war voller Blut.
    Kaum hatte sie die ersten Silben gemurmelt, als ihre Tränen zu fließen begannen. Sie atmete tief durch und setzte neu an. Je mehr sie zu sprechen versuchte, desto mehr verschloss das Schluchzen ihr die Kehle. Sie war schwach. Sie ließ ihren Bruder im Stich.
    Tereus streckte die Hand über Nilos Körper und ergriff ihr Kinn. „Es ist in Ordnung, zu weinen, Rhia. Es wird ihm nichts ausmachen.”
    Also sprach sie das Gebet des Übergangs, so gut es ihr möglich war. Die Worte waren für menschliche Ohren verworren und unverständlich, aber sie hoffte – wusste -, dass Krähe sie verstand. Sie spürte, wie sich etwas löste, wie Nilos Seele sich befreite, und wünschte, sie könnte sein Gesicht noch ein letztes Mal mit Leben erfüllt sehen, ehe er sie verließ.
    Eine weitere Hand griff nach ihr, und auf einmal war Nilo da ... und auch Coranna. Sie bildeten einen Kreis an einem Ort aus Licht, wie sie es nach Etars Tod getan hatten. Nilo schenkte Rhia das jungenhafte Lächeln, das sie immer geliebt hatte. Mit diesem Lächeln hatte er ihr immer gezeigt, dass er wusste, dass er insgeheim ihr Lieblingsbruder war. Er sah sich um und nickte, als könnte selbst die andere Seite ihn nicht überraschen.
    Dann war er verschwunden.
    Rhia öffnete die Augen, und Tereus sah sie erwartungsvoll an. Die verbrannte Luft trocknete die letzte Träne von ihrem Gesicht. „Es ist vollbracht, Papa.”
    Alanka begann zu weinen. „Er ist gestorben, weil er zu sehr beschäftigt war, mich zu schützen, als auf sich selbst achtzugeben.”
    Rhia nahm ihre Schwester in die Arme. „Er ist bei dem gestorben, was ihm auf der

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