Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seelenzauberin - 2

Die Seelenzauberin - 2

Titel: Die Seelenzauberin - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
Vom Netzwerk:
öffnen.
    Stevan wandte sich der Hexe zu. Sie wartete höflich, bis er das Wort an sie richtete, aber er sah den Trotz in ihren Augen, und anstelle einer Verbeugung neigte sie nur steif den Kopf, gerade so weit, wie es seinem Rang angemessen war.
    Das war gut so. Eine Hexe hatte temperamentvoll zu sein.
    »Schickt Nachricht an Meister Favias«, befahl er seinen Männern, ohne den Blick von ihr zu wenden.
    Stammte sie aus den Protektoraten? Verstand sie, was Rhys’ Warnung zu bedeuten hatte? Wenn ja, dann ließ sie es sich nicht anmerken.
    »Mein Name ist Kamala«, sagte sie ruhig.
    Er nickte ernst. »Keirdwyn steht in Eurer Schuld, Kamala. Sein Erzprotektor desgleichen.«
    Dann hob er die Hand, bevor sie sprechen konnte, und sah seinen Feldmarschall an. »Ich brauche eine Aufstellung, wie viele Männer und Vorräte wir benötigen, um die am meisten gefährdeten Bereiche der Südgrenze zu sichern. Geht davon aus, dass wir bald an zwei Fronten zu kämpfen haben werden.« Für Schwierigkeiten dieser Art könnte es keinen ungünstigeren Zeitpunkt geben , dachte er noch einmal. Jedenfalls nicht, wenn der Heilige Zorn tatsächlich nicht mehr standhält. »Sobald Rhys mir Bericht erstattet hat, treffen wir uns wieder.«
    Er wies auf eine kleine Tür an der Rückseite des Kartenraums und winkte der Hexe, ihm zu folgen. »Kommt mit mir«, sagte er. »Wir haben viel zu besprechen.«

    Albtraumgeschöpfe mit Schwingen aus gesplittertem Glas verdunkeln den Himmel. Gefräßige Ungeheuer aus Mythen und Sagen sind Wirklichkeit geworden. Rhys steht in ihrem Schatten, nackt und waffenlos. Er ist der letzte Heilige Hüter auf der ganzen Welt. Und für diese Welt besteht keine Hoffnung mehr, wenn es ihm nicht gelingt, diesen Geschöpfen die Stirn zu bieten.
    Ein Wind aus dem Norden jagt ihm eisige Schauer über den Rücken. Über ihm kreisen die riesigen Bestien, und ihre schwarz geschuppten Körper schlucken das Sonnenlicht. Ringsum auf dem Boden liegen die Leichname längst verstorbener Hexen und Hexer, in der Stellung ihres Todes erstarrt. Wehrten sie sich, als man sie hierherbrachte? Mussten sie durch Schläge gefügig gemacht werden, bevor man sie in ihre engen Gräber zwängen konnte? Trösteten sie sich mit dem Wissen, dass ihr Leiden einer größeren Sache diente, oder hatten sie nur Angst?
    Vergeudete Leben. Vergeudete Träume.
    Alles umsonst.
    Rhys wendet das Gesicht zum Himmel empor und heult seine Verzweiflung in den Wind. Es klingt schrecklich – hoffnungslos und leer. Wer soll die Welt retten, wenn er nicht mehr ist? Wer kann einer Sache dienen, die solche Gräuel gutheißt?
    Die Götter, das weiß er inzwischen, werden der Menschheit nicht helfen. Falls sie überhaupt existieren – er ist sich dessen nicht mehr sicher –, sieht man nun deutlich, dass es sie nicht kümmert, was aus der Welt wird. Vielleicht spenden sie sogar Beifall, wenn die letzten Denkmäler des Zweiten Königtums zu Staub zerfallen und die Männer, von denen sie einst verehrt wurden, auf die Stufe von Tieren herabsinken. Vielleicht hatten sie das von vornherein so gewollt?
    Die Macht der Wesen, die über ihm kreisen, prasselt auf seine Seele nieder. Er hat den Glauben verloren, den er braucht, um sich gegen sie zur Wehr zu setzen. Sein Leben verrinnt wie Blut aus einer offenen Wunde; seine Beine lassen ihn im Stich, er fällt schwer auf die Knie. Der Boden ist rot vom Blut …
    Aber er ist nicht allein!
    Die Erkenntnis trifft ihn wie ein Schlag. Wer sonst könnte hier sein, an diesem Ort des Grauens? Wen hassen alle lebenden Götter so sehr, dass er diese Schrecken mit ihm teilen muss?
    Er dreht sich um. Ein paar Schritte entfernt steht eine Gestalt, in Finsternis gehüllt. Darüber kreisen die Seelenfresser und filtern mit ihren Schwingen das Sonnenlicht. Leuchtende Flecken spielen über sie hin und narren sein Auge mit Einzelheiten: glatte helle Haut, grüne Augen, Haare so rot wie Feuer …
    Kamala?
    Doch plötzlich wachsen glitzernde Schwingen aus ihren Schultern, es rauscht ihm wie Wasser in den Ohren, und der letzte Rest seiner Lebensenergie entweicht …

    Rhys schreckte jäh auf und fand sich, in kalten Schweiß gebadet, zwischen leinenen Laken wieder. In seinem Kopf hämmerte es. Sein Magen war kalt und hart wie ein Stein. Er wusste nicht, wo er war.
    »Da bist du ja wieder.«
    Kamala saß neben ihm auf dem großen Bett und zog gerade ihre Hand zurück. Jetzt erkannte er, dass ihre Berührung ihn aus seinem Traum geholt hatte. Als er

Weitere Kostenlose Bücher