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Die Seelenzauberin - 2

Die Seelenzauberin - 2

Titel: Die Seelenzauberin - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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Göttern.
    Plötzlich trat ein Mann aus den Schatten des Tales und verstellte ihm den Weg.
    Hinter ihm wurden die Stahlklingen gezückt, auch Anukyat zog sein Schwert aus der Scheide. Er spürte seine Bogenschützen wie ein kaltes Kribbeln im Nacken und hörte es knirschen, als sie sich auf dem gefrorenen Boden in Stellung brachten. Jeder Hüter brannte trotz der Kälte lichterloh; woran die früheren Expeditionen auch gescheitert sein mochten, diese Männer hatten nicht vor, sich unterkriegen zu lassen.
    Der Neuankömmling war eindeutig alkalischen Geblüts. Sein Haar hing ihm in wirren, schmutzigen Zöpfen um den Kopf; Schmuckstücke aus Holz oder Knochen waren schon so lange eingeflochten, dass der Schmutz sie fest an Ort und Stelle hielt. Die Kleidung war ungewöhnlich: ein eng anliegender Harnisch mit der Oberfläche, aber nicht der Farbe von gewachstem Leder. Auf den ersten Blick wirkte er tiefschwarz – fast magisterschwarz –, doch sobald sich der Träger bewegte und Schatten und Sonnenlicht über die Oberfläche spielten, entdeckte Anukyat bläulich schimmernde Reflexe, wie er sie noch auf keinem Stoff und keinem Leder gesehen hatte. Die einzelnen Teile waren aus unregelmäßigen Flicken zu einem verrückten Teppich zusammengesetzt und dann der menschlichen Gestalt angepasst worden; das Ergebnis saß wie eine zweite Haut. Der Fremde verströmte einen seltsamen Geruch, ein süßlicher und zugleich säuerlicher Moschusduft, stark genug, um sogar die kühle Luft zu verpesten, wie eine Mischung aus menschlichem Schweiß und der beißenden Ausdünstung eines brünftigen Hirschs.
    »Wer seid Ihr?«, fragte Anukyat und wog vielsagend sein Schwert in der Hand. Wenn dieser Mann etwas mit dem Verschwinden seiner Hüter zu tun hatte, müsste er ihm eine Menge Fragen beantworten.
    Ein seltsam schiefes Lächeln glitt über das Gesicht des Fremden. »Ich bin das Gewissen von Alkal.« Er beherrschte die Sprache der Gegend leidlich, aber seinen Akzent hatte Anukyat noch nie zuvor gehört; die knappe, raue Sprechweise vermittelte nicht den Eindruck, als verwendete der Sprecher viel Zeit auf die hohe Kunst der Konversation. »Ihr könnt mich die ›Stimme der Verlorenen‹ nennen.«
    Anukyat schnaubte verächtlich. »Nun, ich bin der Oberste Hüter von Alkal und habe für Rätselspiele nichts übrig. Ihr befindet Euch auf meinem Land und werdet mir augenblicklich sagen, wer Ihr seid. Oder muss ich mir dieses Wissen auf andere Weise beschaffen?«
    Ganz kurz glomm tief in den Augen des Fremden schwarzer Hass auf. Anukyat glaubte schon, er wolle nach ihm schlagen, und seine Hand umfasste das Schwert unwillkürlich fester. Er spürte, dass in diesem Mann eine erschreckend finstere Macht lauerte. Wenn sie handgemein würden, hätte er womöglich einen Gegner, der gefährlicher wäre als ein bloßer Mensch. Aber das kam ihm gerade recht. Als Heiliger Hüter war er für den Kampf gegen übernatürliche Wesen ausgebildet, und wenn diese Kreatur, ob Mensch oder nicht, für das Verschwinden seiner Männer verantwortlich war, würde es ihm eine persönliche Befriedigung bereiten, sie in Stücke zu hauen.
    Dann hörte er über sich von beiden Seiten Lärm. Einer seiner Hüter keuchte erschrocken auf, und wider besseres Wissen wandte er für eine halbe Sekunde den Blick von dem Fremden und schaute nach oben.
    Die vermissten Hüter!
    Sie standen am Rand des Tales und blickten auf die Streitenden herunter. Mit ihren aschgrauen Gesichtern und den tief in den Höhlen liegenden Augen wirkten sie eher wie Gespenster denn wie Menschen, und als sie Anukyats Blick begegneten, flackerte kaum so etwas wie ein Wiedererkennen auf. Einer wandte sich sogar ab, um ihn nicht ansehen zu müssen. Hatte die böse Macht dieses Ortes ihnen die Kraft geraubt, den Mut genommen? Oder waren andere unsichtbare Einflüsse am Werk?
    Mit brennender Wut im Herzen wandte er sich an den Fremden. »Was habt Ihr mit ihnen gemacht?«, fragte er.
    »Ich habe ihnen die Wahrheit gezeigt.« Ein Lächeln zuckte um die schmalen Lippen. »Und ihnen befohlen, hier zu warten, um Euch zu mir zu führen. Das ist alles.«
    Anukyat war mit seiner Geduld am Ende. »Ich habe Euch gewarnt, in Rätseln zu sprechen.« Er hob die Linke, ein Zeichen an die Bogenschützen, sich bereit zu machen, und hörte, wie sie mit leisem Schwirren die Sehnen spannten und den Fremden ins Visier nahmen. »Wenn Ihr mir nicht auf der Stelle Euren Namen nennt und mir erklärt, was Ihr mit Wahrheit meint,

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