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Die Seelenzauberin - 2

Die Seelenzauberin - 2

Titel: Die Seelenzauberin - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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erste Anflug eines Morgenrots ließ die Ränder der Nebelschwaden gespenstisch aufleuchten.
    Gwynofar und ihre Begleiter standen lange still da und nahmen den Anblick in sich auf. Die Anführer der Expedition stellten zweifellos genaue Berechnungen darüber an, wie man sich der Zitadelle nähern konnte, ohne bei bestmöglicher Deckung die notwendigen Orientierungspunkte aus dem Auge zu verlieren, aber Gwynofar fand den Blick einfach zauberhaft, als wären sie in einem Märchenland und der Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit wäre nicht fest in der Erde verankert, sondern schwebte in Wolken und Träumen.
    »Wir warten noch ein wenig«, ordnete der Hauptmann der Gardisten an. »Wir brauchen mehr Licht.«
    Sie hatten im letzten größeren Waldstück östlich der Zitadelle Schutz gesucht. Erreicht hatten sie es nur im Schein des Mondes, denn so dicht vor dem Ziel hatten sie nicht gewagt, künstliches Licht zu verwenden. Feuer war bei Nacht meilenweit zu sehen, schon eine einzige Kerzenflamme war gefährlich.
    Nun warteten sie darauf, dass es gerade hell genug würde, um zu sehen, wohin sie die Füße setzten, aber nicht mehr. Die Luft sollte schwer und grau wirken, und von ferne sollte es aussehen, als verschmölzen Land und Himmel zu einer Einheit. Die Gruppe hatte ihre Kleidung mit Blick auf diese Verhältnisse gewählt und trug nun anstelle der bunten Uniformen in mehreren Schichten übereinander graue Kleidung mit Farbflecken in den Schattierungen des Monuments. Hoffentlich genügte das, um Ramirus’ Unsichtbarkeitszauber die nötige Unterstützung zu geben.
    Tags zuvor waren sie einer Gardistentruppe begegnet und hatten dabei festgestellt, dass der Zauber tatsächlich wirkte. Die Gardisten hatten sie im Vorüberreiten gegrüßt, aber offenbar die vielen Dinge, die sie hätten verraten können, einfach übersehen. Dabei hatten mehrere der Männer von Keirdwyn die Hände an den Schwertern gehabt, bereit, beim ersten Anzeichen von Feindseligkeit sofort vom Leder zu ziehen. Aber es hatte keinerlei Zwischenfälle gegeben. Ramirus’ Zauber hatte den Argwohn der Einheimischen gedämpft und den Anschein erweckt, alles sei in bester Ordnung. Kamalas Erkenntnisse über den Heiligen Zorn – und darüber, wie die Zauberer seine verzerrende Wirkung umgehen könnten – waren wohl doch zutreffend. Hinterher hatten sich alle sehr erleichtert gefühlt.
    Auf dieser Etappe würden Ramirus’ Künste allerdings von Neuem auf die Probe gestellt. Als Gardist durchzugehen, wenn man wie ein Gardist aussah und sich an einem Ort befand, wo Gardisten das taten, was vermutlich von ihnen erwartet wurde, war eine Sache. Aber in diesem unbewohnten Gelände hatte niemand etwas zu suchen, und niemand hatte einen Grund, den Turm zu besteigen. Sollten die Eindringlinge in dieser Phase des Unternehmens gesichtet werden, dann würden sich Anukyats Männer von ihrer Verkleidung sicherlich nicht überzeugen lassen, dass sie hierhergehörten. Deshalb hatte der Hauptmann verlangt, das letzte Stück des Weges im trüben Licht des frühen Morgens zurückzulegen. Die Dunkelheit sollte ihnen beim Anmarsch etwas Deckung bieten, aber den Aufstieg würden sie besser im hellen Sonnenschein bewältigen.
    Als der Hauptmann die Zeit für gekommen hielt, führte er den Trupp auf gewundenen Pfaden von einer Nebelinsel zur nächsten. Solange sie sich im Nebel befanden, konnte Gwynofar kaum weiter sehen als bis zu den beiden Männern unmittelbar vor sich, musste ihnen blind folgen und konnte nur hoffen, dass sie wussten, wohin sie ihre Schritte lenkten. Dafür war die Kolonne von außen her so gut wie unsichtbar. Vielleicht meinen es die Götter doch gut mit uns und unserer Mission , dachte sie.
    Die Gesellschaft bewegte sich rasch, aber vorsichtig. Die Ledersohlen der Stiefel quietschten auf dem nassen Gras, Teile der Kletterausrüstung schlugen mit leisem Klirren gegen den Rücken oder die Schenkel ihrer Träger. Am Himmel – kaum sichtbar in der Dämmerung – hielt Kamala Ausschau nach möglichen Gefahren. Sie flog scheinbar ziellos hin und her, um auf keinen Fall den Anschein zu erwecken, ein bestimmter Teil des Geländes da unten läge ihr besonders am Herzen. Bisher war sie nicht fündig geworden … noch nicht.
    Der Turm lag vor ihnen, aber noch hatte Gwynofar keine Zeit, ihn genauer in Augenschein zu nehmen. Das war wohl auch gut so. Die Angst würde ohnehin nicht ausbleiben, man musste ihr nicht unbedingt eine offizielle Einladung schicken. Die Größe des

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