Die Seelenzauberin - 2
Colivar, Überraschung aufflackern zu sehen. »Und bevor ich meine Vermutungen überprüfen konnte, war sie verschwunden. Seither habe ich sie nicht mehr gesehen.«
»Alle anderen glauben, der Mörder des Raben sei tot.«
»Richtig.« Colivar nickte. »Ich war der Einzige, der die Wahrheit kannte. Bis heute.«
Ramirus dachte nach, dann nickte auch er langsam. Für Magisterverhältnisse war es ein ungemein großzügiges Angebot. Endlich presste er die Lippen fest zusammen und nickte. »Rhys wusste bereits von Dantons geistigem Verfall und von der schwierigen Lage der Königin. Als ich ihn um Hilfe bat, sagte er mir, er könne nichts tun. Es gebe keine Worte, um Gwynofar zu bewegen, sich auf die von mir gewünschte Weise an ihren Gatten zu wenden, außerdem liebe er sie zu sehr, um ihr solche Qualen zu bereiten.
Damals schienen mir das Ausflüchte zu sein, aber durch Zauberei erlangte ich tieferen Einblick. Rhys wusste offenbar, wie Danton sich an seiner Halbschwester vergangen hatte. Er fürchtete, wenn er noch einmal dort auftauchte, würde er vor Zorn außer sich geraten und dem Großkönig etwas Schreckliches antun … und dann hätte Gwynofar noch mehr zu leiden, als es damals ohnehin schon der Fall war.
Ich suchte noch nach Argumenten, um ihn umzustimmen, als er sich jäh im Sattel versteifte. Er verdrehte die Augen, und sein ganzer Körper zuckte wie in Krämpfen. Bevor ich noch genügend Macht beschwören konnte, um dem Anfall entgegenzuwirken, endete er so plötzlich, wie er begonnen hatte.
Rhys starrte mich an, als hätte er ein Gespenst gesehen. Seine Augen, eben noch klar und hell, waren blutunterlaufen und voller Entsetzen.
›Das Ungeheuer ist hier … ich habe es gesehen … mit ihren Augen …‹ Das Grauen schüttelte ihn. ›Es ist ein Seelenfresser.‹
Ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass ein solches Wesen wieder in der Welt erschienen war, und glaubte deshalb, er hätte nur eine erschreckende Vision gehabt. Aber das machte kaum einen Unterschied. Er war überzeugt, dass sich die Großkönigin in großer Gefahr befinde, und bat mich, ihn auf der Stelle zu ihr zu bringen. Was ich tat. Alles Weitere ist dir bekannt.«
Colivar zog scharf die Luft ein. »Hexerei?«
Ramirus schüttelte den Kopf. »Was ich an diesem Tag erlebte, war keine einfache Hexerei. Ich glaube auch nicht, dass Gwynofar ihrem Bruder bewusst eine Botschaft schicken wollte. Abgesehen davon hatte er auch keine solche erwartet, das war ganz klar.« Der alte Magister verschränkte bedächtig die Arme. »Angeblich versprachen die Götter des Nordens ehedem den Protektoren eine besondere Macht, die nur erwachen sollte, wenn die Seelenfresser jemals wiederkehrten. Ich denke, dass diese Kräfte damals am Werk waren, dass sich Gwynofar Aurelius in höchster Not einer alten Kunst bediente, von der wir nicht einmal den Namen kennen, und damit Rhys zu sich rief. Es gibt auf jeden Fall eine übernatürliche Verbindung zwischen den beiden. Vielleicht besteht das Band nur zu ihrem Halbbruder, vielleicht auch zu anderen Familienangehörigen oder gar zu ihrem ganzen Geschlecht. Das kann man derzeit nicht sagen. Rhys kann sich an seine Vision offenbar nicht mehr erinnern, und Gwynofar war sich nicht bewusst, sie ihm geschickt zu haben. Was die Götter einst auch immer für eine Macht im Blut der Protektoren verbargen, sie hatte sich wieder zurückgezogen, und ich konnte sie mit all meinen Zauberkünsten nicht mehr hervorlocken.«
Colivars Blick war hart geworden. »Wenn es so ist, wie du sagst, ist es ein schlimmes Zeichen.«
Ramirus nickte. »So ist es.«
»Wenn die Seelenfresser wiederkehren …«
»Die Götter des Nordens sind offenbar davon überzeugt, sofern man den alten Mythen glauben kann. Wenn nicht, dann ist eine neue Macht in die Welt gekommen. So oder so, uns stehen … interessante Zeiten bevor.«
Um Colivars Lippen zuckte ein Lächeln. »Das ist leicht untertrieben.«
Ramirus hob die Schultern. »Sind wir nicht nur Zuschauer? Die Jahrhunderte ziehen gemächlich vorbei. Jedes Geheimnis ist kostbar. Früher veränderte sich die Welt nur langsam, nun dreht sie sich schneller. Doch davor haben sich nur die Morati zu fürchten.«
»Mag sein«, gab Colivar ruhig zurück. »Aber vergiss nicht, was die Seelenfresser dieser Welt einst angetan haben. Einige Teile dieser Geschichte können auch einem Magister Angst einjagen.«
Ramirus beugte sich vor und flüsterte in seltsamer Erregung: »Und du erinnerst dich an jene
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