Die Seemannsbraut
Er schüttelte ihn leicht.
»Phaedra
hat schon genug für mich und für uns alle getan. Denken Sie daran, und sagen Sie es auch Ihren Leuten.«
Dunstan nickte. Seine Augen suchten Bolithos Gesicht, als wolle er es sich für immer einprägen. Ungestüm streckte er die Hand aus. »Dann gehe ich, Sir Richard. Und Gott sei mit Ihnen!«
Später stand Bolitho noch eine ganze Weile allein in seiner Kajüte, beobachtete die Korvette beim Wenden und sah ihre Stückpforten eintauchen, als der Wind in die Segel griff. Er hörte ferne Hochrufe, ob von der
Phaedra
oder von anderen Schiffen, war schwer zu sagen.
Er setzte sich hin und massierte sein Auge, dessen Trübung er so haßte.
Allday polterte herein und beäugte ihn kritisch.
»Phaedra
ist also unterwegs.«
»Aye.« Bolitho wollte an Deck, das Geschwader wartete.
Noch vor der Abenddämmerung mußte es seine Schlachtformation eingenommen haben. Er dachte an seine Kommandanten. Wie würden sie wohl reagieren? Vielleicht zweifelten sie an seinen Fähigkeiten oder erkannten Herricks Widerstand gegen seine Pläne.
Allday fragte: »Kommt es zum Kampf?«
»Kann schon sein, alter Freund.« Bolitho sah ihn an. »Wenn wir ihnen in die Quere kommen, sind sie gezwungen zu kämpfen. Wenn sie uns entwischen, werden wir sie jagen.«
Allday nickte, Ferne im Blick. »Also nichts Neues.« Bolitho grinste, die Spannung wich von ihm.
»Nein, nichts Neues. Deine Prägnanz, Allday, könnten sie im Parlament gebrauchen.«
Am nächsten Morgen hatte sich das Wetter wieder geändert. Der Wind hatte gedreht und kam direkt aus Osten. Das ließ jedenfalls auf einen glatten Weg Richtung Toulon hoffen. Das Geschwader schob sich nach Nordwesten, irgendwo an Steuerbord lagen die Balearen.
Der sechste in der Linie, seine eigenen Schiffe führend, war Konteradmiral Herrick. Seit Tagesanbruch war er auf den Füßen, unfähig zu schlafen, aber auch nicht gewillt, seine Zweifel mit Flaggkapitän Gossage zu teilen.
Er stand auf dem breiten Achterdeck der
Benbow
und blickte nach den Schiffen aus. Unter dem fast klaren Himmel, den nur Schäfchenwolken sprenkelten, boten sie einen schönen Anblick. Sein Gesicht wurde weicher, als er sich seiner Mutter erinnerte, in dem kleinen Haus in Kent, wo sie ihn geboren hatte. Achte immer auf die großen Schafe, Tommy! hatte sie ihm eingeprägt.
Herrick drehte sich nach dem Ersten Leutnant um, der mit einigen Decksoffizieren die Tagesarbeit besprach. Was hätte die liebe alte Dame jetzt von ihrem Tommy gehalten?
Kapitän Gossage überquerte das Deck, seinen Hut in dem flotten Winkel aufgedrückt, den er zu bevorzugen schien. Aber Herrick hatte keine Lust, die Zeit mit müßiger Konversation zu verbringen. Er fühlte sich unsicher, als hätte man ihn plötzlich seiner Autorität beraubt. Er beschattete die Augen und spähte durch die Steuerbordwanten. Die einzige ihm verbliebene Fregatte,
Tybalt,
stand weit ab vom Geschwader und würde als erste die feindlichen Schiffe sehen. Er biß sich auf die Lippen, bis es schmerzte. Vorausgesetzt, der Feind hatte sie nicht schon überholt.
Gossage bemerkte: »Ich nehme doch an, daß sich der Kommandant der
Phaedra
nicht geirrt hat, Sir?«
Herrick knurrte: »Jedenfalls hat irgendeiner die
Mouette
versenkt, und das hat er sich nicht eingebildet!«
Gossage konnte nicht an sich halten. »Hätte man uns auf Malta abgelöst, wären wir jetzt sowieso in Gibraltar. Dann hätte unser Schiff die Ehre gehabt …«
Herrick platzte heraus: »Zum Teufel mit der Ehre! Sir Richard Bolitho gehört nicht zu jenen Männern, die den Ruhm für sich allein beanspruchen.«
Gossage hob die Augenbrauen. »Oh, ich verstehe, Sir.«
Innerlich schäumend vor Wut, drehte Herrick sich um. Nein, du verstehst gar nichts, dachte er. Wie er es auch anstellte, es gelang ihm nicht, die zwanzig Jahre, die er Bolitho nun schon kannte, aus seinem Gedächtnis zu streichen. Alle diese Siege, einige hart verdient, andere überraschend leicht gewonnen. Schlimme Wunden, Landungen und Überfahrten, bei denen sie sich manchmal fragen mußten, ob sie jemals wieder den Fuß auf festen Boden setzen würden. Nun war das alles verdorben, fortgeworfen wegen einer … Gossage versuchte es wieder. »Meine Frau schrieb mir, daß man von einer Ablösung Sir Richards spricht.«
Herrick staunte. Dulcie hatte nichts derartiges erwähnt.
»Wann?«
Gossage lächelte. Endlich hatte er die Aufmerksamkeit des Konteradmirals.
»Nächstes Jahr, Sir. Die Navy wird umgestaltet,
Weitere Kostenlose Bücher