Die Seemannsbraut
Vielleicht hatte er sie unbewußt erwartet, in der Hoffnung, daß sie ihn schon finden würde. Und trotzdem fühlte er sich unvorbereitet.
Sie begegneten einander unter dem aufgepallten Rumpf eines alten Bootes. Catherine war von Kopf bis Fuß in einen Umhang gehüllt, dessen Kapuze lose über ihrem Haar hing. Hinter ihr sah man die Kutsche warten, den Mann neben dem Pferd stehen, beleuchtet von zwei kleinen Laternen, die ihren gelben Schein auf die Straße warfen. Jenour wollte sich zurückziehen, aber sie winkte seine Entschuldigung beiseite. »Lassen Sie nur, ich habe ja auch meine Zofe bei mir.«
Bolitho trat näher, doch sie kam ihm nicht entgegen. Der Umhang verbarg sie völlig, lediglich das Oval ihres Gesichts und eine goldene Halskette waren erkennbar.
Sie sagte: »Du verläßt uns bald.« Das klang wie eine Feststellung. »Ich kam, um dir Glück zu wünschen, was auch immer …« Die Stimme versagte ihr. Bolitho streckte die Hand aus, doch sie protestierte schnell: »Nein, das wäre unfair.« Nach einer Pause fragte sie ohne Gemütsbewegung: »Du hast meinen Mann getroffen?«
Bolitho versuchte, ihr in die Augen zu sehen, aber auch diese lagen im tiefen Schatten. »Ja. Aber ich möchte lieber von dir reden und erfahren, wie es dir ergangen ist.«
Sie hob das Kinn und drehte sich halb um. »Seit dem Empfang? Mein Mann spricht viel von dir. Du hast ihn beeindruckt, und er bewundert andere nicht oft. Die Tatsache, daß du den neuen Namen der
Consort
kanntest …«
Bolitho beharrte: »Wir wollen über dich reden, Kate.«
Sie erschauerte und entgegnete leise: »Ich habe dich einmal gebeten, mich nicht Kate zu nennen.«
»Ich weiß. Ich habe nichts vergessen.« Er zuckte die Achseln und merkte, daß er etwas falsch machte.
»Ich auch nicht. Ich habe alles über dich gelesen, was ich nur bekommen konnte, weil ich fürchtete, mit der Zeit meine Erinnerungen an dich zu verlieren. Ich war verletzt, habe deinetwegen gelitten.«
»Das ahnte ich nicht.«
Sie hörte nicht hin. »Hast du angenommen, dein Leben bedeute mir so wenig, daß ich es jahrelang verfolgen könnte, ohne zu leiden? Sieben Jahre, an denen ich nicht teilhaben durfte – hast du gedacht, ich liebte dich nicht?«
»Ich war der Meinung, du hättest dich von mir abgewendet.«
»Vielleicht tat ich das auch, eine Zeitlang. Und doch wünschte ich mir mehr als alles andere, daß du Erfolg haben würdest, daß man erkennen würde, wer du wirklich bist. Oder hättest du es lieber gesehen, die Leute hätten im Vorbeigehen höhnisch über mich gelächelt wie über Nelsons Hure? Wie hättest du
diesen
Sturm abgewettert, sag?«
Bolitho hörte Jenour davongehen, doch es war ihm egal.
»Bitte gib mir Gelegenheit, zu erklären …«
Sie schüttelte den Kopf. »Du bist mit einer anderen verheiratet und hast ein Kind, da gibt es nichts zu erklären.«
Bolitho ließ die Arme sinken. »Und was ist mit dir? Du hast ebenfalls geheiratet.«
»Ihn?« antwortete sie gedehnt. »Lacey brauchte mich, ich konnte ihm helfen. Und ich brauchte Sicherheit, wie schon gesagt.«
Sie betrachteten einander schweigend. Dann bat sie: »Sei vorsichtig, auf was du dich einläßt. Ich werde dich wahrscheinlich nicht wiedersehen.«
Bolitho erwiderte: »Ich segle morgen, aber das weißt du wahrscheinlich schon.«
Zum erstenmal hob sie die Stimme. »Sprich mit mir nicht in diesem Ton! Ich bin gekommen, weil ich noch immer an unsere Liebe glaube. Nicht aus Trauer oder Mitleid. Wenn du denkst …«
Durch den Umhang packte er ihren Arm. »Geh nicht im Zorn, Kate.« Er erwartete, daß sie sich losreißen und zur Kutsche eilen würde. Aber etwas in seiner Stimme zwang sie zu bleiben.
Er setzte von neuem an. »Den Gedanken, daß ich dich niemals wiedersehen sollte, könnte ich nicht ertragen.«
»Es war dein Entschluß«, flüsterte sie.
»Nicht ganz.«
»Würdest du deiner Frau erzählen, daß du mich gesehen hast? Wie ich höre, ist sie eine Schönheit. Könntest du ihr das antun?« Sie trat ein wenig zurück. »Dein Schweigen ist auch eine Antwort.«
Bolitho sagte bitter: »Das stimmt nicht.«
Sie wandte sich zum Gehen. Dabei glitt die Haube von ihrem Kopf, und der Schein der Lampen fiel auf die Ohrringe, die er ihr einst geschenkt hatte.
Als er sie wieder festhalten wollte, wich sie zurück und bedeckte ihr Gesicht. »Morgen werde ich dir nachsehen, wenn sich dein Schiff entfernt. Wie die Dinge liegen, wird mein Herz mit dir segeln, Richard. Aber jetzt geh!«
Dann lief
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