Die Seemannsbraut
mit einer Axt beendet, wo er sie zerhackt und zerschnitten hatte, bis sie unkenntlich waren. Am Tower Hill war er dann auf eine Preßgang gestoßen. Sie waren nie weit entfernt, immer auf Freiwillige hoffend oder auf einen Betrunkenen, der Handgeld nahm und sich dann auf einem Kriegsschiff wiederfand, bis er abmustern konnte oder getötet wurde.
Der Leutnant hatte ihn zweifelnd angesehen. Erstklassige Seeleute, starke junge Männer, die brauchte der König damals! Jetzt sahen sie das anders. Jetzt hätten sie auch einen Krüppel auf zwei Krücken genommen.
Tom Ozzard, Steward des Vizeadmirals, hängte den Rock sorgfältig fort. Er war ein Mann ohne Vergangenheit, ohne Zukunft, furchtsam, ja zu Tode erschrocken in der Schlacht, wenn das Schiff um ihn herum erbebte.
Tief in seinem Herzen ahnte Ozzard, daß er eines Tages in das kleine Haus in Wapping Wall zurückkehren würde. Dann, aber erst dann, würde er seine Tat gestehen.
Alle Gedanken an Bord waren auf morgen gerichtet. Vom Ausguck hoch oben im Masttopp bis zu Allday, der in seiner Hängematte unter Deck einen gewaltigen Kater ausschlief, von Ozzard bis zu dem Mann in der Achterkajüte, dem er diente, dachten alle an morgen.
Hyperion
hatte in all den Jahren und Weltgegenden, in die sie gesegelt war, schon viele Männer kommen und gehen gesehen. Weit vor dem Dreizack ihrer Galionsfigur lag der Horizont. Und jenseits davon konnte nur das Schicksal erkennen, was auf sie zukam.
Dem Feind entgegen
Bolitho schritt über die nassen Planken des Achterdecks und suchte an den Finknetzen der Luvseite Halt. Es war noch dunkel, nur vereinzelt durchbrachen überkommende Spritzer die Schwärze der See.
Wie Schemen eilten Leute an ihm vorbei und zu einer kleinen Gruppe an der Reling, wo Haven und zwei seiner Leutnants Meldungen empfingen und neue Befehle erteilten.
Aus dem Batteriedeck drangen Stimmen. Dort arbeiteten die Matrosen an den Achtzehnpfündern, während im Deck darunter die schwere Batterie der Zweiunddreißigpfünder, obwohl ebenso geschäftig, noch still blieb. Dort unten waren es die Geschützbedienungen gewohnt, in ständiger Düsternis zu hantieren.
Daß man die Leute zu einem vorverlegten Frühstück gepfiffen hatte, war vermutlich unnötige Vorsicht, denn bei Tagesanbruch würden sie noch immer außerhalb der Sichtweite des Landes sein – bis auf die Ausgucksleute im Mast, wenn sie Glück hatten. In der ersten Stunde hatte
Hyperion
Kurs geändert und steuerte nun genau West. Ihre Rahen waren hart angebraßt, die Leinwand war auf Vor- und Marssegel verringert. Das erklärte die unruhigen Schiffsbewegungen. Aber Bolitho hatte schon den Wetterumschwung gespürt, als seine Füße den feuchten Läufer vor seiner Schwingkoje berührten. Der Wind wehte stetig, hatte aber zugenommen. Nach der Windstille und glasigen Dünung kam er ihm ungewohnt stark vor.
Jeder in der Nähe hatte den Admiral an Deck bemerkt und war stillschweigend zur Leeseite ausgewichen, um ihm Platz zu machen. Er sah nach oben zu den Marssegeln. Sie flatterten so geräuschvoll, als wollten sie ihre Unzufriedenheit ausdrücken.
Den größten Teil der Nacht hatte er wachgelegen. Dann, als die Leute gerufen wurden, um das Schiff vorzubereiten, hätte er endlich schlafen können. Doch Allday war in die Kajüte getappt, und während Ozzard herumhantierte, hatte ihn der große Bootssteurer beim Licht einer schwankenden Laterne rasiert. Allday hatte sich noch nicht wieder über seinen Sohn ausgelassen. Bolitho erinnerte sich an Alldays gehobene Stimmung, als er entdeckte, daß er einen zwanzigjährigen Sohn hatte. Einer, von dem er nichts wußte und der zu ihm gekommen war, als seine Mutter, eine alte Liebe Alldays, starb. Auf dem Kutter
Supreme,
als Bolitho niedergemacht wurde und fast erblindet wäre, hatten Allday allerdings Zorn und Verzweiflung gepackt, weil sein Sohn, nach ihm John genannt, sich als Feigling entpuppte. Just in jenem Augenblick, als Bolitho seiner am meisten bedurfte, war er unter Deck geflohen. Inzwischen dachte Allday anders darüber. Wohl hatte sich John vor dem Feuer der Schlacht gefürchtet, aber war er deshalb schon ein Feigling? Es erforderte ein tapferes Herz, um die Angst zu verbergen, wenn des Feindes Eisen die Decks beharkte.
Aber John hatte gebeten, das Schiff verlassen zu dürfen. Um Alldays und des lieben Friedens willen hatte Bolitho mit dem Offizier der Küstenwache bei Falmouth gesprochen und ihn gebeten, eine Stelle für den jungen Mann zu finden.
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