Die Seemannsbraut
berichtete. »Es war erstaunliches Pech, Onkel. Die Franzosen gingen unter Admiral Villeneuve in See, und unser Nelson hatte das Nachsehen. Während der kleine Admiral sie um Malta oder Alexandria vermutete, entwich Villeneuve durch die Straße von Gibraltar in den Atlantik. Hätte man dich früher hierher beordert, Onkel, wärest du ihm vielleicht begegnet. Gott sei Dank kam es nicht dazu.«
Bolitho lächelte schwach. Adam sprach mit der Unbefangenheit und dem Selbstvertrauen eines Veteranen, dabei war er erst vierundzwanzig Jahre alt. »Dein altes Schiff, Onkel, wer hätte das gedacht!«
Hyperion
war Adams erstes Schiff gewesen. Er hatte es als dünner, bleicher Junge kennengelernt, aber mit der Entschlossenheit und dem Feuer eines Fohlens.
Yovell legte Bolitho ein amtliches Schreiben der Admiralität vor. Die Franzosen waren also endlich ausgelaufen, an Gibraltar vorbei und über den Atlantik; Nelson hastete zuletzt doch noch hinter ihnen her. Villeneuve war anscheinend westwärts gesegelt, doch warum, das vermochte niemand zu sagen. Bolitho las schnell weiter, während Adam ihn forschend beobachtete. Schließlich gab er Yovell das Schreiben zurück und meinte: »Die Franzosen segelten also. Vielleicht war es ein Trick, um unsere Streitkräfte abzuziehen und zu teilen.«
Adam hatte recht. Hätte man ihm früher befohlen, Antigua zu verlassen, wären sie wohl auf den Feind gestoßen. Fünf Schiffe dritter Klasse gegen eine der besten Flotten der Welt. Über den Ausgang gab es keinen Zweifel. Aber sie hätten Villeneuve wenigstens aufgehalten, bis Nelson ihn einholen konnte.
Bolitho nahm den nächsten, schon von Jenour geöffneten Brief.
»Na bitte, da haben wir’s: Ich soll Thomas Herrick in Malta ablösen!« Was war davon zu halten? Er hätte sich freuen sollen, den Mann wiederzusehen, der sein bester Freund war. Doch nach der Untersuchung gegen Valentin Keen, als nur Bolithos Aussage ihn vor einem Kriegsgerichtsverfahren bewahrt hatte, war er sich Herricks Freundschaft nicht mehr ganz sicher. Insgeheim wußte Bolitho, daß sein Freund recht gehabt hatte. Hätte er an Herricks Stelle die Vorschriften weitherziger zugunsten Keens ausgelegt? Diese Frage war nie beantwortet worden.
Adam riß ihn aus seinen Gedanken. »Aber erst segelst du nach England, Onkel.« Er lächelte gewinnend. »Mit mir.«
Adam kannte Bolithos Leben, aber nicht ganz. Es gab etwas, an dem er noch keinen Anteil hatte. Yovell schlitzte eine neue Depesche auf: von Admiral Nelson. Sonderbar, daß von allen ihm nahestehenden Menschen nur Adam den berühmten Nelson persönlich getroffen hatte. Er hatte mit seiner Brigg
Firefly
mehr Depeschen für ihn befördert als jeder andere.
Das Geschwader sollte in Gibraltar warten und sich verproviantieren. Nelson hatte in seiner merkwürdig schräg laufenden Handschrift vermerkt: »Denn zweifellos hat die Fürsorge und Aufmerksamkeit, die Ihnen in English Harbour zuteil wurde, viel zu wünschen übriggelassen.« Bolitho stutzte. Was meinte Nelson?
Er selbst wurde für einen kurzen Besuch bei der Admiralität von seinem Kommando freigestellt. Der Brief schloß mit der von Nelson schon gewohnten Spitze: »Dort werden Sie entdecken, wie eifrig sie ihre Kriege mit Worten und Papier ausfechten, statt mit Kanonen und hartem Stahl …«
Es stimmte, daß das Geschwader frischen Proviant und Ersatzteile brauchen konnte. Ihr nächster Einsatz würde sicherlich von längerer Dauer sein. Die Franzosen mußten schließlich zurückkehren, und sei es auch nur, um Verstärkung von ihren spanischen Verbündeten einzufordern. Und eines dieser Schiffe würde aller Wahrscheinlichkeit nach die
Intrepido
vormals
Consort
sein.
Auf einem nahen Tisch lag ein Stapel Seekarten und veranschaulichte die Weite des Atlantik, der leicht eine Flotte verschlingen und verbergen konnte. Glücklicherweise hatte Catherine ihren Brief von England aus geschickt, andernfalls hätte ihn die Ungewißheit zerfressen, ob sie in die Hände des Feindes gefallen war.
Er blickte Adam an, sah die plötzliche Sorge in dessen Augen und bat die anderen: »Lassen Sie uns bitte eine Weile allein.« Er berührte Jenours Arm. »Gehen Sie den Rest des Stapels durch, Stephen. Aber ich fürchte, ich verlasse mich fast schon zu sehr auf meinen Adjutanten.«
Als sich die Tür hinter ihnen schloß, sagte Adam leise: »Das war sehr freundlich, Onkel. Dein Flaggleutnant ist auch so einer, der von deinem Charme behext ist.«
»Was gibt’s daran
Weitere Kostenlose Bücher