Die Seemannsbraut
Feind.«
Bolitho verschränkte die Hände auf dem Rücken und dachte über die vergangenen vier Monate nach, seit sich sein neues Geschwader in Antigua versammelt und Catherine sich nach England eingeschifft hatte. Die Trennung war ihnen schwerer gefallen als erwartet und schmerzte noch immer wie eine frische Wunde.
Während dieser Zeit hatte sie ihm einen Brief geschrieben, warm und leidenschaftlich. Er solle sich nicht sorgen, sie würden sich bald wiedersehen. Aber es dürfe keinen Skandal geben. Wie gewöhnlich dachte sie zuerst an ihn.
Bolitho hatte ihr geantwortet und auch einen Brief an Belinda geschickt. Ihr Geheimnis würde bald enthüllt werden, wenn es das nicht schon war. Deshalb war es nicht mehr als fair, daß sie es zuerst von ihm erfuhr.
Er überquerte das Achterdeck, wo der Rudergänger unter seinem Blick die Augen niederschlug. Von der Pooptreppe richtete er das Glas auf die in Kiellinie folgenden Schiffe. Es hatte lange gedauert, bis das Geschwader zusammengewachsen war und jeder sich an die Eigenarten der anderen gewöhnt hatte. Der Verband bestand aus vier Linienschiffen der Klasse drei, die sich für einen unwissenden Landbewohner nicht von der führenden
Hyperion
unterschieden. Abgesehen von der
Obdurate
waren sie nach Bolithos Maßstäben Neulinge gewesen. Jetzt jedoch empfand er Stolz statt Ungeduld.
In der sanften nordwestlichen Brise befand sich windwärts die kleine Korvette
Phaedra,
dicht unter der Küste segelnd. Möglicherweise hoffte Dunstan, daß ihm ein unvorsichtiger feindlicher Handelsschiffer in die Finger geriet.
Der willkommenste Zuwachs war die Fregatte
Tybalt,
ein Sechsunddreißiger, der gerade noch rechtzeitig aus England eingetroffen war, um sich dem Geschwader anzuschließen. Sie wurde von einem hitzköpfigen Schotten namens Andrew McKee geführt, der es eher gewohnt war, unabhängig zu operieren.
Bolitho verstand seine Gefühle, auch wenn er sie nicht immer dulden konnte. Das Leben eines Fregattenkommandanten war vielleicht das einsamste überhaupt. In einem übervölkerten Schiff blieb er hinter seinem Kajütschott allein, nur gelegentlich mit seinen Offizieren dinierend, völlig getrennt von anderen Schiffen und sogar von den Männern, die er kommandierte. Bolitho lächelte. Bis jetzt … Sie hatten in der Karibik wenig mehr unternommen, nur ein paarmal die feindliche Schiffahrt und deren Häfen angegriffen. Doch nach dem unbekümmerten Durchstoß zum Schatzschiff von La Guaira schien alles andere Kleinkram zu sein. Das hatte auch Glassport angedeutet, als das Geschwader zur Reise nach Gibraltar Segel setzte. Danach würde das Leben in Antigua nicht mehr das gleiche sein, meinte er.
In mehr als einer Beziehung, dachte Bolitho.
Es war ein merkwürdiges Gefühl, Antigua verlassen zu müssen. Im stillen glaubte er, daß er die Inseln nie wiedersehen würde. Die Inseln des Todes, wie sie in den unglücklichen Heeresgarnisonen genannt wurden. Auch
Hyperion
war nicht fieberfrei geblieben. Drei an Land beschäftigte Matrosen waren gestorben, ahnungslos wie Schlachtvieh.
Bolitho stieg von der Treppe, als er Haven an Deck mit dem Segelmeister sprechen sah. Dieser meinte zuversichtlich: »Der Wind bleibt günstig, Sir. Wir sollten um acht Glasen ankern.«
Haven blieb sehr für sich, und bis auf einige beinahe irrsinnige Wutanfälle schien er zufrieden, alles Parris überlassen zu können.
Es war ein gespanntes, äußerst vorsichtiges Verhältnis zwischen den beiden, das sich aber auf die gesamte Offiziersmesse auswirkte. Trotz allem wurde der Marschbefehl, der mit der Kurierbrigg gekommen war, begrüßt. Ein Sturm braute sich über Europa zusammen, während die Widersacher einander belauerten und auf einen Feldzug warteten, ja auf eine einzige Schlacht, die das Gleichgewicht verschieben konnte.
Die verlorene Fregatte
Consort,
in
Intrepido
umbenannt, war unbemerkt und ungemeldet entschlüpft. Man sagte, daß sie nach Spanien geeilt war, um sich der starken Kriegsmarine Seiner Allerkatholischsten Majestät anzuschließen.
Obendrein würde sie dort die öffentliche Moral stärken: eine Prise, die man den Engländern weggenommen hatte, obwohl die so verzweifelt Fregatten brauchten.
Bolitho starrte auf den turmhohen Felsen.
Gibraltar for orders!
Wie gut kannte er diese Worte: nach Gibraltar um neue Befehle … Es war in Gibraltar gewesen, wo er der
Hyperion
zuerst begegnete, als dieser endlose Krieg kaum angefangen hatte. Dachten Schiffe über ihr Schicksal nach? Allday
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