Die Seemannsbraut
»Alles, was du nötig hattest, sollte dir von Falmouth geschickt werden. Aber selbst das hast du zurückgewiesen. Also genieße dein neues Leben mit deinen vornehmen Freunden.« Er trat durch die Tür. »Und Gott helfe dir!«
Ungeachtet des Regens, der sein Gesicht kühlte, wanderte er durch die dunklen Straßen. Er mußte zu Fuß gehen, um seine Gedanken zu ordnen. Er würde sich Feinde schaffen, aber das war nichts Neues. Es hatte genug Neider gegeben, die ihm wegen Hugh zu schaden versuchten, ihn durch Adam zu verletzen trachteten.
Wo sollte Catherine bleiben? Nicht in Falmouth, solange er sie nicht selbst hinbringen konnte. Das heißt, falls sie überhaupt dort hin wollte. Würde sie nach diesen Ereignissen seinen Worten einen Doppelsinn beimessen, einen nochmaligen Verrat argwöhnen? Er verwarf diese Gedanken augenblicklich. Catherine war wie die Klinge an seiner Seite, beinahe unzerbrechlich. Aber eben nur beinahe.
Eines schien sicher: Godschale würde bald erfahren, was sich zugetragen hatte, obwohl keiner offen darüber sprechen würde, um nicht als Mitverschwörer zu erscheinen. Er lächelte trübe. Für ihn hieß es wohl sehr bald wieder: »Gibraltar for orders.«
Sein wacher Sinn bemerkte einen Schatten und das Klicken von Metall. In der nächsten Sekunde lag der Degen in seiner Hand, und er rief: »Stehenbleiben!«
Adams Stimme antwortete, sie klang erleichtert. »Ich wollte nur nach dir sehen, Onkel.«
Bolitho steckte die Klinge in die Scheide.
»Ist es vorbei?« fragte sein Neffe.
»Aye, es ist erledigt.«
Adam faßte Tritt und lüftete den Hut, um in den Regen zu starren. »Ich habe das mit Catherine von Allday gehört. Es sieht fast so aus, als ob ich dich nicht einen Augenblick allein lassen sollte.«
Bolitho erwiderte: »Ich kann es selbst noch kaum glauben.«
»Die Menschen ändern sich eben, Onkel.«
»Das glaube ich nicht.« Er beobachtete zwei Infanterieleutnants, die sich unsicheren Fußes in Richtung St. James entfernten. »Die Umstände vielleicht, aber nicht die Menschen.«
Adam wechselte taktvoll das Thema. »Ich habe herausbekommen, wo sich Kapitän Keen aufhält: in Cornwall. Sie regeln dort einige Dinge, die Miss Carwithens verstorbenen Vater betreffen.«
Bolitho nickte. Er hatte schon befürchtet, daß Keen ohne ihn heiraten würde. Eigenartig, daß ihm eine solche Kleinigkeit noch so wichtig sein konnte, nach allem, was hier geschehen war.
»Ich habe ihn durch Boten benachrichtigt.«
Sie schwiegen und lauschten dem Geräusch ihrer Schritte auf dem Pflaster. Wahrscheinlich wußte Keen es schon, wie auch die ganze Flotte. Abstoßend für viele, aber ein willkommener Skandal in den übervölkerten Messedecks.
Im Haus stießen sie auf Allday, der sich einen Krug Ale mit der Haushälterin, Mistress Robbins, teilte. Sie war eine gebürtige Londonerin und hatte trotz ihrer vornehmen Umgebung eine Stimme, die sich wie die einer Straßenhändlerin anhörte. Nun kam sie gleich zur Sache.
»Die Lady liegt im Bett, Sir Richard.« Ihr Blick blieb gelassen.
»Ich habe ihr ein Gästezimmer gegeben.«
Bolitho nickte dankbar, er hatte auch das Unausgesprochene verstanden: In diesem Haus würde es keinen Skandal geben, egal wie es nach außen aussehen mochte.
»Ich habe sie erst mal ausgezogen und ordentlich gebadet. Armes Ding! Die Kleider habe ich verbrannt.« Sie öffnete eine rote Faust. »Dies war im Saum eingenäht.«
Zum Vorschein kamen die Ohrringe, die er ihr geschenkt hatte, als sie in London zusammengewesen waren. Bolitho fühlte einen Kloß im Hals.
»Danke, Mrs. Robbins.«
Ihr strenges Gesicht wurde unerwartet weich. »Is’ doch selbstverständlich, Sir Richard. Der junge Lord Oliver hat mir oft genug erzählt, wie Sie ihm das Fell gerettet haben.« Sie ging kichernd davon.
Allday und Adam traten ein. Bolitho sagte: »Habt ihr alles mitgehört?«
»Am besten, die Lady bleibt hier«, meinte Allday. »Mama Robbins wird schon alle Mann an Deck rufen, wenn in der Nacht was passiert.«
Bolitho nahm Platz und streckte die Beine von sich. Er hatte seit dem Frühstück nicht eine Krume gegessen, aber ihm war auch jetzt nicht danach. Es war ein knapper Sieg gewesen. Doch die eigentliche Schlacht hatte noch nicht mal angefangen.
Catherine stand an einem hohen Fenster und blickte auf die Straße hinunter. Die Sonne strahlte, aber diese Seite lag noch im Schatten. Einige Leute gingen spazieren, und man hörte schwach die Stimme eines Blumenmädchens, das seine Ware
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