Die Seevölker
Gestalt eines
Beschlusses gesetzt werde auf eine Säule [von hartem Stein], und daß sie
aufgestellt werde in deinen Städten.‹«
Das Abfassen von Dekreten und das Einmeißeln auf Stelen war das
Vorrecht von Königen.
Die zweite Frage, die der Priester dem Orakel des Amun stellte, be-
zieht sich in gewissem Sinn auf Mörder, ob sie durch Hinrichtung be-
straft werden sollten.
MAUNIER-STELE: »Da trat der Hohepriester des Amun Mencheperre an den
großen Gott heran, in dem er also redete: ›Was alle diejenigen betrifft, von
dem sie dir berichten werden, daß sie Menschenleben vernichtet haben –
du sollst sie zerstören, du sollst sie hinrichten.‹ Auch dazu nickte der große
Gott lebhaft.«
Die Wortkombination in der Frage, die der Hohepriester hinsicht-
lich demjenigen, »der ein Menschenleben vernichtet« an das Orakel
von Amon richtete, erschien seltsam, und ihre Bedeutung wurde als
obskur erklärt; sie verursachte ihrem ersten (Brugsch10) und ihrem spä-
teren Übersetzer (Breasted) Schwierigkeiten und führte daher zur be-
mühten, eben zitierten Passage.
Vor der letzten Frage und der Antwort, die das Orakel darauf gab,
enthält ) der Text einen Satz, der in keinerlei Zusammenhang mit dem
Text zu stehen scheint: »als ich noch im Mutterleib weilte. Du hast
mich gebildet im Ei«, als werde dem Gott Amun die physische Erschaf-
fung des göttlichen Herrn in einem Mutterleib zugeschrieben.
Die Stele enthält auch eine Bitte um den Segen oder eine Prophezei-
ung von Glück und Wohlwollen von Seiten der Götter: »Schenke mir
eine schöne Lebensdauer.« Dazu gehörte noch eine Frage: »Wird mir
10 Brugsch übersetzte diese Passage: »Wenn irgendein Mensch auftreten sollte, welcher
von dir behauptet, daß er emporgerichtet habe die Bewohner und das Gedeihen des
Landes, so verderbe ihn, so töte ihn.«
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aller Lohn zu Teil?« Die Bitte wird gewährt, und das Orakel verkün-
digt: »Es herrschen Reinheit und Gesundheit, wo auch immer du dich
aufhältst.«
Die gesamte Stele wird als mysteriös angesehen. »Der bemerkens-
werte Auftrag« des Priesters »wird absichtlich in so verschleierter
Sprache wiedergegeben, daß es unmöglich ist, genau zu bestimmen,
welcher Art er war.«11 Aber wir werden den Text leicht verständlich
finden.
Die folgende Überlegung darf nicht übersehen werden: Der Text
enthüllt die Tatsache, daß der Priester darum bat, daß ein Dekret, das
auf den Antworten des Orakels fußte, in allen Städten Ägyptens veröf-
fentlicht werden sollte, und die vorliegende – in Luxor (Theben) ge-
fundene – Stele macht deutlich, daß dieser Bitte Rechnung getragen
wurde. Daher muß es sich bei dem Orakel nicht zwangsläufig um das
Amun-Orakel des Ortes handeln, wo die Stele entdeckt wurde. Daß
der Hauptakzent auf einer Oase liegt, macht deutlich, daß sich die Ste-
le mit dem Amun-Orakel der Oase befaßt. Aber am besten wird es
sein, Alexander auf seiner berühmten Reise zum Amun-Orakel zu fol-
gen.
Er kam aus dem Norden als Sieger und Befreier des Landes von den
persischen Feinden, die er vertrieb; er veranstaltete verschiedene Feste
in den Städten Ägyptens und wurde von der Jugend des Landes freu-
dig willkommen geheißen. Er anerkannte und bestätigte die zivilen
und religiösen Beamten des Landes und »wies zugleich an, die No-
marchen in den ihnen zugeteilten Bezirken ganz nach der von alters
her bestehenden Einrichtung weiterverwalten zu lassen.«12 »Von Mem-
phis aus drang Alexander auf dem gleichen Strom ins Innere Ägyptens
vor«,13 und dann »fuhr er stromabwärts dem Meere zu« und » entwarf
eigenhändig den Plan der Stadt [Alexandria].«14 Dort gab er Anwei-
sungen an die Landvermesser, die das Gelände vermaßen und »befahl
den Aufsehern, die Arbeit weiter zu betreiben, und machte sich selbst
11 Breasted: a. a. O., Bd. IV, Abschn. 650.
12 Arrian: Anabasis, nach der Übersetzung von Cleß III, 1.
13 Quintus Curtius Rufus: Geschichte Alexanders des Großen, IV, vii. Nach der Übersetzung von Herbert Schönfeld.
14 Arrian: Anabasis III, 1.
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auf den Weg zum Orakel des Amun.«15 Er unternahm seine Reise zur
Oase in der Regenzeit, denn es wird berichtet, ihm sei in der Wüste ein
Regenguß von Nutzen gewesen.
Die Burg in der Mitte der Oase war von einer dreifachen Mauer
umgeben. Quintus Curtius Rufus schrieb darüber:
»Der innerste Mauerring schloß die alte Königsburg der Herrscher ein; in
dem nächsten
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