Die Seevölker
Herz war hoch erfreut ob seiner Güte, er war ge-
kommen nach dem Süden als kühner Sieger, um wieder herzustellen die
Ruhe im Lande und um zu züchtigen die Gegner. Er gab ihnen die wohl-
verdiente Strafe und richtete die alte Ordnung der Dinge wieder her.« '
Der Sieger, der die Ordnung wieder herstellte, wurde mit großer
Freude empfangen. Im ersten Monat der dritten Jahreszeit trug sich
folgendes zu:
MAUNIER-STELE: »er zog ein in die Stadt [Theben] mit wohlwollender Ge-
sinnung, und es empfingen ihn die Bewohner jedes Alters von Theben un-
ter lautem Zuruf. Und Boten waren vorausgeschickt worden. Da ward
herausgeführt in Prozession die Majestät dieses herrlichen Gottes, des
Herrn der Götter, Amun-Re, des Herrn von Theben. Er begrüßte ihn auf
das Beste, und er setzte ihn auf den Stuhl seines Vaters als Hohenpriester
des Götterkönigs Amun-Re und als Oberfeldherr von Süd- und Nord-
Ägypten.«
Der siegreiche Gott – oder der göttliche Sieger – brachte ihm Ehrun-
gen und Geschenke dar und bestätigte ihn in seinem Amt.
Im vierten Monat der dritten Jahreszeit, am fünften Tag des Festes
der »Geburt der Isis«:
MAUNIER-STELE: »… ward herausgeführt in Prozession die Majestät dieses
herrlichen Gottes, des Herrn der Götter, Amun-Re, des Königs der Götter,
und trat ein in die weiten Hallen des Amun-Tempels, woselbst er sich nie-
derließ vor dem Pylon Amuns. Da trat zu Amun-Re, dem König der Göt-
ter, der Oberbefehlshaber des Kriegsvolkes, Mencheperre und er pries ihn
gar sehr in zahlreichen [Gebeten] und stellte ihm auf ein [Opfer] von aller-
lei guten Dingen.«
Heutige Gelehrte nehmen an, daß hier zwei Akteure an der Hand-
lung beteiligt gewesen sind: der Hohepriester und sein Gottes-Orakel.
Diese Gelehrten wundern sich über das Verfahren: »Es hat den An-
schein, als sei er lange von Theben fort gewesen, und als habe er es nun
nötig, sich der Anerkennung des Gottes erneut zu versichern; so verhält
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sich ein residierendes Oberhaupt der Priesterschaft keineswegs.«6
»Seine Majestät«, die als Sieger im Süden Ägyptens eintraf, ist auf
keinen Fall Mencheperre, denn er wird im gleichen Text als ein Mann
bezeichnet, den Seine Majestät in seinem Amt als Hoherpriester bestä-
tigte.
Nachdem der Hohepriester des Amun seinen göttlichen Besucher
»gar sehr in zahlreichen Gebeten« gepriesen und »ein Opfer aufge-
stellt« hatte, begann er das Orakel zu befragen:
MAUNIER-STELE: »Da redete zu ihm zum anderen Male der Oberpriester
des Amun-Re Mencheperre, indem er also sprach:
›Du mein gütiger Herr, es ist ein Gerede und es wird wiederholt [von den
Leuten].‹
»Daraufhin nickte der große Gott lebhaft.«7
Der Hohepriester fragte:
MAUNIER-STELE: »… ›Du mein gütiger Herr, dieses Gerede der Leute be-
trifft eine Wehklage ob des Zorns, den du hegest gegen die, welche in der
Oase weilen, in derjenigen welche du für sie bestimmt hast.‹ Dann nickte
der große Gott ausdrücklich und dieser Oberbefehlshaber des Kriegsvolkes
erhob seine Hände, um anzubeten und um zu preisen seinen Herrn, so wie
ein Vater zu seinem eigenen Sohn spricht.«8
Der Schluß dieses letzten Satzes kommt höchst unerwartet. Ein
Priester würde zum Gott Amun wie ein Sohn zu seinem Vater spre-
chen, aber nicht wie ein Vater zu seinem Sohn. Trotzdem heißt es auf
dieser Stele, daß der Priester zu dem Gott wie ein Vater zu seinem
Sohn gesprochen hat. Ein verblüffter Übersetzer des Textes bemerkte
dazu: »Die Umkehrung des Vergleichs von Vater und Sohn steht so im
Original.«9
Indem er seine Frage wiederholte und noch ausführlicher stellte, ge-
lang es dem Priester, die Antwort zu erhalten, daß die Exilierten, die
sich in der Oase befanden, entfernt und daß in Zukunft keine Verbann-
ten mehr dorthin verwiesen werden sollten. Es war dem Priester offen-
6 Petrie: History of Egypt from the XIXth to the XXXth Dynasties, Bd. III, S. 221.
7 Brugsch: a.a.O.
8 Brugsch: a.a.O.
9 Breasted, Records, Bd. IV, Abschn. 655, Anm. a.
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sichtlich sehr daran gelegen, sicherzustellen, daß dieser Orakelspruch
des Gottes bekanntgemacht und befolgt wurde. Er sagte:
MAUNIER-STELE: »›Du mein gütiger Herr: Erlasse du einen gültigen Befehl,
in deinem Namen, daß kein Bewohner des Landes verbannt werden soll in
die weite Ferne der Oase… von diesem heutigen Tag bis in alle Zukunft.‹
Dann nickte der große Gott lebhaft. – ›Verkünde, daß dies in
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