Die Seevölker
wohnten die Frauen nebst Kindern und Nebenfrauen, und
hier befindet sich auch das Orakel des Gottes [Amun]; der letzte Ring end-
lich dient als Wohnung für die Trabanten und Leibwächter.«16
Daraus erkennen wir, daß die Hohenpriester dieses Orakels in der
Oase Königstitel für sich beanspruchten. Herodot (II, 32), der in der
Mitte des fünften Jahrhunderts in seiner Beschreibung von Libyen und
Ägypten über die nördliche Oase berichtete, sagte, in der Oase »des
Orakel-Heiligtums von Amun« habe ein König regiert.
Diodor von Sizilien liefert einige weitere Einzelheiten über diese
Bewaffneten:
»Die dritte [Ringmauer] aber [umschließt] die Herbergen der Trabanten
und die festen Schlösser für die Leibwache des Herrschers.«17
Aus diesen Schilderungen ersehen wir, daß der Priester des Amun-
Orakels ein Fürst war, der eine eigene Armee besaß, und diese Tatsa-
che erklärt die auf der Stele verwendeten Titel: Fürst, Priester, Oberbe-
fehlshaber der Armee.
Als Alexander mit seiner Leibwache am äußeren Mauerring eintraf,
kam der oberste Priester heraus und begrüßte den König. Plutarch be-
richtet darüber:
»Nachdem Alexander den Weg durch die Wüste zurückgelegt hatte und
ans Ziel gekommen war, hieß ihn der Prophet im Namen des Gottes als
seines Vaters willkommen.«18
Strabo, der Kallisthenes zitiert, schreibt:
»Der Priester erlaubte ausschließlich dem König, in seiner üblichen Klei-
15 Plutarch: Große Griechen und Römer, » Alexander«, XXVI, Übers, v. Konrad Ziegler.
16 Curtius Rufus: a. a. O., IV. vii.
17 Diodor: a. a. O., XVII, 50. Übersetzt v. Julius Friedrich Wurm.
18 Plutarch: Lebensbeschreibungen, »Alexander«, XXVII.
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dung den Tempel zu betreten, sein Gefolge mußte jedoch zuerst die Klei-
dung wechseln;… alle hörten das Orakel von außen an, außer Alexander,
der sich im Innenbezirk befand.«19
Die Schmeichelei, mit welcher der Priester Alexander bei seiner Be-
gegnung vor der Mauer begrüßte, wird von mehreren Autoren er-
wähnt; Curtius Rufus spricht von »schmeichlerischer Huldigung«, die
der Priester Alexander zukommen ließ. Auf der Stele heißt es:
MAUNIER-STELE: »… die Majestät dieses herrlichen Gottes, des Herrn der
Götter, Amun-Re, des Königs der Götter, und trat ein in die weiten Hallen
des Amun-Tem-pels, woselbst er sich niederließ vor dem Pylon Arnims.
Da trat zum Amun-Re, dem König der Götter, der Oberbefehlshaber des
Kriegsvolkes Mencheperra, und er pries ihn gar sehr in zahlreichen [Gebe-
ten] und stellte ihm auf ein [Opfer] von allerlei guten Dingen.«20
Das Opfer wird auch von Plutarch erwähnt: »Alexander brachte
dem Gott prachtvolle Weihgaben dar«. Alle Autoren, die diesen Be-
such Alexanders beschrieben, berichteten, wie der Priester Alexander
ansprach. Diodor sagt:
»Als Alexander durch die Priester in den Tempel eingeführt wurde und
des Gottes ansichtig wurde, trat der Wahrsager, ein Mann von höherem
Alter, zu ihm und sprach: ›Willkommen, Sohn, nimm dies als Anrede von
dem Gotte‹.«
Alexander antwortete: »Ich nehme sie an, Vater, und werde künftig
der Deinige heißen.«
Jetzt sehen wir, daß die Worte auf der Stele über den Priester, »der
seinen Herrn pries, wie ein Vater seinen Sohn« keine Umkehrung des
Vergleichs sind.
Auch Curtius Rufus schrieb (IV, vii):
»Und nun begrüßte der älteste Priester den nähergetretenen König als sei-
nen Sohn, indem er versicherte, diesen Namen verleihe ihm sein Vater Ju-
piter (Amun).«
Diese Anwendung des Begriffs »Sohn« auf Alexander durch den
Priester des Amun, die sowohl von Diodor, als auch von Plutarch und
19 Strabo: Geographia, XVII, i, 43.
20 Brugsch: Die Reise nach der großen Oase, S. 87.
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von Curtius Rufus betont wird, ist nicht nur wegen ihrer Einzigartig-
keit von Bedeutung, sondern weil sie auch den sonst absurd erschei-
nenden Satz auf der Stele klarstellt und bestätigt.
Die Art und Weise, wie dieses Orakel Fragen beantwortete, war ei-
genartig. Auf der Stele wird wiederholt festgestellt: »Der große Gott
nickte lebhaft.« Diodor sagte über das von Alexander besuchte Orakel
des Amun das gleiche:
»Durch ein Nicken des Kopfes gibt der Gott seine Anweisungen.«
Auch Strabo unterstrich diese Eigentümlichkeit:
»Die Antwort dieses Orakels wurde nicht – wie bei den Orakeln von Del-
phi und un- f ter den Branchiden – in Form von Worten erteilt, sondern
meist durch Nicken des
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