Die Seevölker
1914).
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Da Nektanebos I. in Wirklichkeit mit Ramses III. identisch ist und
Nektanebos II. mit fast gleicher Gewißheit mit Ramses VI., müssen wir
für Necht-hor-heb und Necht-nebef die wirkliche historische Identität
finden. Wir wollen uns jetzt dieser Detektivaufgabe zuwenden: Bevor
wir Ramses III. und Ramses VI. endgültig auf ihre historischen Plätze
stellen, müssen die Eindringlinge von ihrem Platz entfernt werden.
Wer diesen Band sorgfältig gelesen hat, wird die Lösung für Necht-
hor-heb rasch finden. Wir sind ihm bereits auf einer früheren Seite be-
gegnet – er war Gouverneur und Schatzmeister, zugleich aber auch der
Verwalter der privaten Güter von Arsames, dem allmächtigen persi-
schen Satrapen, der in Babylon residierte und von dessen riesiger Sa-
trapie Ägypten lediglich ein Teil war. In seinen Briefen hatte Arsames
wiederholt Necht-hor ermahnt, sich besser um seine privaten Lehnsgü-
ter zu kümmern, indem er sie nicht nur vergrößern, sondern ihnen
auch mehr Sklaven zuführen sollte – mit Hilfe gesetzlicher oder auch
ungesetzlicher Mittel. Die an Necht-hor gerichteten Briefe ließen wenig
persönliche Achtung gegenüber dem pekidia (Beamten) – einem ein-
heimischen Untergebenen – erkennen. Trotzdem besaß dieser eine
recht bedeutende Machtfülle gegenüber seinen eigenen Landsleuten
und hatte außerdem Zugang zu riesigen Geldsummen – nämlich zu all
dem Geld, das durch seine Hände gehen mußte, bevor es den mächti-
gen Satrapen in Babylon erreichte. In Kapitel I habe ich in dem Ab-
schnitt »Arsames« einen typischen Brief des Satrapen an seinen Gou-
verneur zitiert.
Ein strenger Kritiker könnte fragen: steht Necht-hor wirklich für
Necht-hor-heb? Die Briefe des Satrapen waren folgendermaßen adres-
siert: »Von Arsham an Necht-hor«. Wenn man einräumt, daß der Sa-
trap schroff an seinen ägyptischen Verwaltungsbeamten schrieb, dann
ist durchaus vorstellbar, daß Arsames dabei den letzten Namensbe-
standteil seines Adressaten fallen ließ (auch in einem weiter unten zi-
tierten Brief, den er an einen persischen Adeligen richtete, der gerade
Ägypten besuchte, ließ er die Grußworte fallen). Für eine definitive
Identifizierung wäre es allerdings besser, wenn der Nachweis gelänge,
daß der Name Necht-hor tatsächlich für Necht-hor-heb steht. Glückli-
cherweise ist auch dies möglich.
In einem 1933 veröffentlichten Artikel hat Abbe P. Tresson zwei Fi-
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guren aus einer Privatsammlung wissenschaftlich untersucht.4 Eine
Statuette stellt einen knienden Mann dar (der Kopf fehlt), der in seinen
Armen ein kleines Tempelchen mit dem Totengott Osiris hält. Auf der
Basis dieser Statuette befindet sich eine hieroglyphische Inschrift:
» – [bringt Weihegaben dar] für Neith, die große göttliche Mutter…
für die Seele [ka] des edlen Herrn, des Erbprinzen – des Königs des
Nordens – [bringt Weihegaben dar für Neith], die große Gottesmutter,
damit sie Totenmahle gewährt und alles Vollkommene … für die ka
[Seele] des edlen Herrn, des Erbprinzen, des Siegelträgers des Königs
des Nordens, einen einzigartigen Gönner und Wohltäter, den Bevoll-
mächtigten für allen Grundbesitz – den Gouverneur der Zugänge
[nach Ägypten] zu See und zu Lande, Necht-hor-heb, hervorgegangen
aus Nes-en-per-Mut.«
Necht-hor-heb verkündet außerdem: »Ich zeichnete mich durch gu-
te Manieren aus, besaß einen ausgezeichneten Charakter, war ein Be-
amter ohne Tadel, mein Herz war (stets) harmonisch, meine Gedanken
ohne Argwohn, und ich hatte nichts in meiner Brust zu verbergen …«
Necht-hor-heb behauptete in dieser Inschrift, er sei ein loyaler Be-
amter des königlichen Siegelbewahrers gewesen – in letzterem erken-
nen wir Arsames. Das Gebet für die Seele dieses »edlen Herrn und
Erbprinzen« deutet darauf hin, daß diese Statuette aus Anlaß von Ar-
sames' Tod in Auftrag gegeben wurde. Die Statuette des Totengottes
Osiris und das Gebet für die Totenmahle weisen auf den gleichen Tat-
bestand hin. Nach einer Tätigkeit von über fünfzig Jahren muß Arsa-
mes, der zuletzt in einem in Elephantine gefundenen Briefe aus dem
Jahre –407 erwähnt wird, entweder in Babylon oder auch in Persepo-
lis gestorben sein, und zwar entweder kurz danach oder auch kurz
zuvor, denn in diesem Brief aus Elephantine wird sein Besuch beim
König im Jahre –410 erwähnt. Dareios II. (Nothus) starb –404.
Mit dem in der Inschrift
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