Die Seevölker
und zwar nicht nur
deswegen, weil sie irrtümlicherweise 800 Jahre vor ihrer wirklichen
Zeit angesetzt wurde, sondern auch, weil einige ihrer Persönlichkeiten
irrtümlicherweise mit Persönlichkeiten aus früheren oder späteren
Epochen identifiziert worden sind.
König Psammetich von Ägypten ist, wie von Herodot und von an-
deren griechischen Historikern berichtet wird, eine der bedeutendsten
Figuren der ägyptischen Geschichte. Moderne Historiker datierten ihn
in das siebte Jahrhundert und setzten ihn zeitlich in die Anfangszeit
der 26. Manethonischen Dynastie. In der vorliegenden, rekonstruierten
Version der Geschichte ist er Seti-Ptah-Maat aus der 19. Dynastie; und
dies ist Thema einer ausführlichen Erörterung in dem Band der Reihe
»Zeitalter im Chaos«, der sich mit der Periode der assyrischen Erobe-
rung und Beherrschung befaßt; die anschließende Diskussion über die
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Identität der 19. mit der 26. Dynastie ist das Thema jenes Bandes, der
sich mit der Zeit der chaldäischen Herrschaft befaßt. Es genügt festzu-
stellen, daß die Geschichte der 19. Dynastie auf der Grundlage der
ägyptischen Monumente geschrieben wird und die (gleichzeitige) Ge-
schichte der 26. Dynastie den Zeugnissen der griechischen Autoren
folgt.
Seti-Ptah-Maat der Monumente ist Psammetich in Herodots Darstel-
lung, aber moderne Historiker haben nach den Monumenten von
Psammetich gesucht und getrennt davon nach denen von Sethos. Re-
likte wurden entdeckt, auf denen der Name als Psamschek gelesen
wurde. Am verwirrendsten war jedoch die Tatsache, daß sich unter
diesen recht zahlreichen Überresten nichts befand, das an die bei He-
rodot und anderen klassischen Historikern berichtete Geschichte erin-
nerte. Warum hat Psammetich es unterlassen, über seine großen Taten
in Krieg und Frieden zu berichten: Wie es ihm gelang, die anderen elf
regionalen Herrscher Ägyptens zu überwinden; wie er aus Palästina
zurückkehrte, wo er den Äthiopen entflohen war; wie er von den auf
dem Seeweg eintreffenden Kariern und den Ioniern Hilfe erhielt; wie
er Militärlager für sie einrichtete und der erste Pharao gewesen ist, der
den Griechen die Ansiedlung in Ägypten gestattete; wie er Ägypten
von der assyrischen Hegemonie befreit hat; und wie er, diesmal als
Bundesgenosse seines früheren Oberherrn Assurbanipals, Krieg gegen
Syrien führte? Nichts, das auch nur entfernt an derartige Ereignisse
hätte erinnern können, wurde in den Relikten gefunden, die den Na-
men Psamschek in Hieroglyphen tragen.
Das andere Rätsel gibt der Name auf – Psamschek, in hieroglyphi-
scher Schrift aufgezeichnet, nimmt sich als Königsname reichlich selt-
sam aus. Gardiner schreibt nachdenklich: »Der Name mutet fremdlän-
disch an, ist aber ägyptisch und bedeutet ›der Negus-Verkäufer.«7
Aber ein Pharao würde wohl kaum den Namen »Verkäufer von
Negus (Glühwein)« annehmen. Bei den Namen Ptah und Maat im Kö-
nigsnamen und Beinamen von Sethos handelt es sich um ägyptische
Gottheiten und eben das würde man bei einem königlichen Namen
und Beinamen erwarten. »Glühwein-Verkäufer« – wenn das die best-
mögliche Interpretation in der ägyptischen Sprache ist – deutet nur
7 A. Gardiner: Egypt of the Pharaohs, S. 352.
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darauf hin, daß es sich gar nicht um einen ägyptischen Namen handelt.
Da jedoch die griechischen Autoren außer dem berühmten Psamme-
tich noch mehrere weitere Herrscher des gleichen Namens, aber von
geringerer Bedeutung, in der Folgezeit aufführen, könnte man dazu
verleitet werden, daß »Glühwein-Verkäufer« zu einem recht bevorzug-
ten Königsnamen wurde, fast wie etwa Caesar in römischer Zeit.
In Wirklichkeit liegen die Dinge anders. Die Relikte mit dem Na-
men Psamschek in Hieroglyphen können ohne weiteres Psamschek
zugeschrieben werden, dem Verwalter Ägyptens unter dem Satrapen
Arsames – und deswegen befassen wir uns hier mit diesem Mann und
seiner Stellung. Durch die auf Leder geschriebenen Briefe aus der
Kanzlei des Arsames in Babylon, die an seine Untergebenen in Ägyp-
ten gerichtet waren, haben wir erfahren, daß Psamschek der Vorgänger
von Necht-hor als oberster Verwaltungsbeamter von Ober- und Unter-
ägypten gewesen war.
Psamschek muß in seine richtige Zeit zurückversetzt werden, in die
Mitte des fünften Jahrhunderts. Daß sein Name mit ek endet, erinnert
an das Persische – wie mir Professor Martin Dickson von der
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