Die Seevölker
Platz in der Geschichte im vierten Jahr-
hundert ein – er wurde eins mit König Nektanebos I. der griechischen
Historiker. Seine unmittelbaren Nachfolger auf dem Thron Ägyptens
folgten diesem Beispiel und fanden ihre wahren alter egos im selben
Jahrhundert – nur kurze Zeit vor dem Auftritt Alexanders.
Wenn wir die Namen und Beinamen von Ramses III. sichten, dann
finden wir, daß einer seiner sogenannten Horus-Namen Nektanebos
war (Kanecht-mau-pehti-necht-a-neb-chepesch-Sati).1 Für Budge, der
die Liste der von diesem und von anderen Königen benutzten Namen
zusammenstellte, erhob sich beim Lesen von Necht-a-neb kein Pro-
blem, denn er konnte nicht ahnen, die Spur einer erstaunlichen Identi-
fikation vor sich zu haben. Es hat den Anschein, als sei Ramses III. der
einzige Pharao, von dem wir genau wissen, daß zu seinen Königsna-
men dieser Name gehörte, der uns von den griechischen Autoren her
vertraut ist, die über Ägypten im vierten Jahrhundert vor unserer Zeit
geschrieben haben. Der Namensbestandteil Neb findet sich auch bei
Ramses VI. (Nebmaatre-meriamun Ramesse-itamun-nutehekaon); da
Necht (bzw. in der griechischen Version »Nekt«) bei den Namen von
Königen und Prinzen häufig vorkommt und soviel wie »mächtig« be-
deutet, ist der ungewöhnlichste Teil des Namens der Bestandteil Nebo.
Die Identität von Ramses (III.) Necht-a-neb mit Nektanebos der
griechischen Historiker wurde auf den voraufgegangenen Seiten aus
zwingenderen Gründen festgestellt als aus einer Identität der Namen
heraus: aber zusätzlich zu dem gesamten anderen Beweismaterial ist
diese Namens-Identität sehr willkommen.
Es genügt allerdings nicht, Ramses III. und Nektanebos I. wieder zu
vereinigen: eine weitere Detektivarbeit ist erforderlich, nämlich die,
Nektanebos I. von jeder Assoziation mit einer Person loszulösen, die
modernen Historikern als die ägyptische Version von Nektanebos er-
1 E. A. Wallis Budge: The Book of the Kings of Egypt (London 1908), Band II, S. 1.
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scheint. Auf der Suche nach ägyptischen Persönlichkeiten aus der per-
sischen Periode, die in Ägypten Monumente mit dem Anspruch auf
herrscherliche Positionen hinterließen, stieß man auf zwei Potentaten
mit Namen, in denen Bestandteile des Namens Nektanebos enthalten
sind, und tatsächlich blieben weit mehr als nur ein paar mit ihren Na-
men verbundene Monumente erhalten – es sind Necht-hor-heb und
Necht-nebef.2 Im vorigen Jahrhundert wurde der erstgenannte dazu
auserwählt, der Nektanebos I. der griechischen Historiker zu sein,
während dem zweiten die Rolle des Nektanebos II. zugewiesen wurde.
Irritierend an diesen Identifizierungen war allerdings die Tatsache,
daß keiner von beiden in den zahlreichen erhaltenen Inschriften etwas
über die von ihm geführten Kriege berichtete: Nektanebos I. über seine
Kriege zu Lande und zur See gegen Artaxerxes II. und seine Söldner,
und Nektanebos II. über seine Kriege gegen Artaxerxes III., bevor er in
der letzten Schlacht geschlagen wurde. Ihre Inschriften sind eitel und
prahlerisch, und daher erscheint das Fehlen von Hinweisen auf durch
Siege gekrönte militärische Errungenschaften rätselhaft. Angesichts
der großen Anzahl der von beiden hinterlassenen Inschriften läßt sich
auch nicht die Behauptung aufstellen, nur rein zufällig seien ihre zahl-
reichen Bau- und Widmungsinschriften erhalten geblieben, während
diejenigen Monumente, die ihren Kriegszügen und den Erinnerungen
an ihre Triumphe gewidmet waren, ausnahmslos zugrunde gegangen
seien. Trotzdem wurden diese Identifizierungen – mangels besserer
Auswahl – tatsächlich vorgenommen. Dann, zu Beginn dieses Jahrhun-
derts, fand der deutsche Ägyptologe W. Spiegelberg Gründe für eine
Neuordnung dieser Identifizierung, und nach seiner Auffassung kam
nunmehr Necht-nebef die Rolle von Nektanebos I. zu, während Necht-
hor-heb, der vorher diesen Platz eingenommen hatte, jetzt die Rolle des
weniger erfolgreichen Königs Nektanebos II. zugewiesen wurde.3 Seit
der Veröffentlichung von Spiegelbergs Werk haben die meisten Ägyp-
tologen dieser Konstruktion zugestimmt, obwohl es auch heute noch
vereinzelt Stimmen gibt, die die erstgenannte Anpassung vorziehen.
2 F. K. Kienitz: Die politische Geschichte Ägyptens vom 7. bis zum 4. Jahrhundert vor der Zeitwende (Berlin 1953).
3 W. Spiegelberg: Die sogenannte Demotische Chronik des Papyrus 215 der Bibliothèque Nationale zu Paris (Leipzig
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