Die Seevölker
entziffert wurden. Wir werden uns
mit diesem Problem befassen, wenn wir die Grundlagen untersuchen,
auf denen die ägyptische Chronologie aufgebaut ist.
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TEIL II
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Kapitel 1
Die Priester-Dynastie
In Teil II werden wir uns darum bemühen, die Geschichte jener Dyna-
stie zu rekonstruieren, die fälschlicherweise als 21. Dynastie bezeichnet
wird. Es ist eine Periode reich an Dokumenten, von denen allerdings
die meisten gerichtlichen oder sakralen Inhalts sind und nur wenige
auf historische Ereignisse Bezug nehmen: Daher wird konsequenter-
weise zugegeben, daß es aus historischer Sicht eine der obskursten
Perioden der ägyptischen Geschichte ist; viele Anstrengungen wurden
unternommen, um Ordnung in die Abfolge der königlichen Priester zu
bringen und einen Sinn in ihren politischen Aktivitäten zu finden. »Die
21. Dynastie«, so schreibt J. Černý in der neuen Auflage der Cambridge
Ancient History, »ist immer noch eine besonders obskure Periode der
ägyptischen Geschichte«.1Und das ist kein Wunder: Diese Periode, die
um viele Jahrhunderte von ihrem eigentlichen Platz in der Geschichte
weggerückt worden ist, gibt ihre historische Verbindung mit der au-
ßerägyptischen Welt nur widerspenstig preis. Es sei hier eingeräumt,
daß sich nur anhand von anhaltenden Bemühungen ein Begreifen die-
ser Zusammenhänge und der zeitlichen Abfolge erreichen ließ, und
daß es diese Bemühungen gewesen sind, die für das wiederholte Hi-
nausschieben der Veröffentlichung dieses Bandes verantwortlich wa-
ren.
Wie der Leser feststellen wird, existierte diese Dynastie, der wir uns
jetzt zuwenden werden, bereits vor der 20. Dynastie (identisch mit der
29. und der 30. Dynastie); sie verlief außerdem parallel zur 20. Dyna-
stie und überdauerte sie sogar um mehrere Generationen – tatsächlich
bis in die Zeit nach Alexander.
Aus diesem Grunde erschien es vorteilhafter, diese beiden, teilweise
zeitgleichen Dynastien, nicht gleichzeitig zu erörtern, sondern erst die
1 »Egypt from the Death of Ramesses III to the End of the Twenty-first Dynasty« in:
Cambridge Ancient History (Cambridge 1975), Band II, Teil 2, Kapitel XXXV, S. 643.
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20. Dynastie zu behandeln und danach dann die 21. Das bedeutet al-
lerdings auch bis zu einem gewissen Grade, daß die gleichen Ereignis-
se zweimal zu behandeln sind – vor allem, wenn es um die persischen
Thronfolgen geht.
Ein schimärenhaftes Jahrtausend
Die 21. Dynastie von Ägypten wird nach der akzeptierten Chronologie
in das 11. Jahrhundert und in die erste Hälfte des 10. Jahrhunderts ge-
legt – etwa von –1100 bis –945. In Israel war dies die Zeit der späteren
Richter sowie der Könige Saul, David und Salomon. In der Geschichte
der Israeliten ist dies die ruhmreichste aller Perioden. Seitenlang befaßt
sich das Alte Testament mit den Ereignissen in dieser Zeit: mit den
Kriegen von Saul sowie mit der Befreiung des Landes und des gesam-
ten Alten Orients »von Hevila an bis gen Sur, das vor Ägypten liegt« (I,
Samuel 15:7) – d.h. von Mesopotamien bis Ägypten –, von der Herr-
schaft der Amelekiter; mit der nachfolgenden Niederlage Sauls durch
die Philister; mit der Eroberung Jerusalems durch David und mit den
Kriegen gegen Amon, Moab und Edom; mit der glanzvollen Ära Salo-
mons, der in Palmyra und in Jerusalem baute und der sich gemeinsam
mit König Hiram von Phönizien am Bau von Häfen beteiligte, an gro-
ßen Unternehmungen auf dem Meer und an einem umfangreichen
Fernhandel mit Streitwagen und Pferden; Zedern aus dem Libanon
wurden auf dem Seeweg transportiert, um beim Bau von Tempeln und
Palästen verwendet zu werden. Die Königin von Saba kam, um sich
von den erstaunlichen Berichten selbst zu überzeugen und »alle Welt
begehrte Salomon zu sehen« (Könige 1,10:24). Aber zu Salomons Zei-
ten wurden auch Verschwörungen ausgebrütet, mit dem Ziel, sein
Reich aufzuteilen, und das Zentrum dieser Verschwörungen war
Ägypten. Hadad von Edom, der nach Ägypten geflohen war, als Da-
vids General Joab dessen Land verwüstete, kehrte nach Edom zurück,
ließ aber seinen Sohn Genubath im Palast des Pharaos in Ägypten zu-
rück; Jerobeam, ein Untergebener von Salomon, der nach Ägypten ge-
flohen war und dort die Schwester der Königin geheiratet hatte, kehrte
zurück, um Israel von Juda loszureißen. Fünf Jahre nach Salomons Tod
drang Pharao Schischak nach Juda ein, nahm Jerusalem und ließ
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