Die Seevölker
von Ägypten, dessen Schutz er sicherlich in Anspruch genommen
hätte, wäre damals in Ägypten ein König an der Regierung gewesen.
Daher wird angenommen, das fünfte Jahr beziehe sich auf »die königs-
lose Periode, die auf die 20. Dynastie folgte.«1 Das erschien jedoch un-
glaubwürdig. Eine königslose Zeit würde in der Einleitung eines Do-
kuments nicht nach Jahr und Monat aufgeführt. Die Ägypter haben die
Zeit eines regierenden Herrschers mit Hilfe des jeweiligen Regierungs-
jahres gekennzeichnet. Es gab damals in Ägypten keinen regierenden
König, und doch wurde das Dokument mit im »Jahr 5« datiert.
Ähnlich werden in anderen Dokumenten dieser Zeit in den einlei-
tenden Sätzen bestimmte Jahre erwähnt, aber der König wird nicht
genannt; indessen findet sich gelegentlich ein Hinweis auf »Die Wie-
derholung der Geburten«. In seinem Werk Das alte Ägypten schreibt A.
H. Gardiner mit Bezug auf die Zeit des Hohenpriesters Herihor: »An
die Stelle der herkömmlichen Datierung nach den Regierungsjahren
des Königs trat eine neue Zeitrechnung mit der eigenartigen Bezeich-
nung Wiederholung der Geburten.«2
Der Papyrus Mayer A beginnt: »Jahr 1 in der Wiederholung der Ge-
burten.« In diesem Papyrus werden die gleichen Grabräuber genannt
wie im Papyrus Abbott, der datiert ist »Jahr 1, Monat 1 der Über-
schwemmungszeit, Tag 2, entsprechend Jahr 19«. Offensichtlich waren
zwei Methoden zur Datierung eines Ereignisses üblich. Das Jahr 19
konnte sich beispielsweise auf das Pontinkat eines Hohenpriesters be-
ziehen, aber was konnte bedeuten: »Jahr 1 in der Wiederholung der
Geburten?« Handelt es sich hier um eine Art Renaissance?
Gelegentlich wird angenommen, Herihor habe bei der Übernahme
des Pontifikats oder des Throns (gelegentlich, aber nicht immer, wurde
sein Name in einem Oval, also einer Kartusche dargestellt, dem Kenn-
zeichen von Königen) den Anspruch erhoben, damit beginne in Ägyp-
ten eine Renaissance. Aber warum sollte die Zeit von Herihor als der
Beginn einer Renaissance glorifiziert werden? Aus der Geschichte des
1 J. Wilson in Pritchard: Ancient Near Eastern Texts (1950), S. 25.
2 Gardiner, a.a.O., S. 304.
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Wenamun über seine Reise, die er im Auftrag Herihors unternommen
hat, läßt sich nicht der Eindruck gewinnen, daß Herihor sich anschick-
te, den Beginn einer neuen Ära zu verkünden oder auch nur Anspruch
auf einen königlichen Titel zu erheben.
Außerdem kennen wir »die Wiederholung der Geburten« und die
auf ihr beruhende Datierung einer Ära bereits aus der Zeit Ramses' XI.,
eine Anzahl von Jahren vor Herihor: So findet sich »Jahr 7 in der Wie-
derholung der Geburten« in einem aus der Zeit Menmare-setpenptah
Ramesse (Ramses' XI.) stammenden Dokument, das sich auf die Er-
nennung eines gewissen Nesamun zum Schreiber im Vorratslager in
Karnak bezieht, die durch das Orakel entschieden worden war.3
Nach reiflicher Überlegung wurde das »Jahr 5« zu Beginn des We-
namun-Papyrus als Bezug auf die von Herihor eingeleitete Ära der
»Wiederholung der Geburten« interpretiert.
Uns erscheint es jedoch so, daß sich das »Jahr 5 « auf das Regie-
rungsjahr des persischen Oberherrn bezieht – entweder auf Dareios II.
Nothus (–424 bis –404), dann hätte die Reise im Jahre-419 stattgefun-
den, oder auf Artaxerxes II., der seine Herrschaft –404 antrat, in wel-
chem Fall Wenamuns Reise im Jahre –399 stattgefunden hätte.
Unsere Vermutung hinsichtlich der Bedeutung des Datums sowie
hinsichtlich der »Wiederholung der Geburten« ganz allgemein wird
unterstützt durch einen Brauch, der während der Herrschaft der persi-
schen Könige zu einer Institution geworden war. Wir brauchen nur ein
Buch über die Geschichte des antiken persischen Reiches aufzuschla-
gen, wie beispielsweise das Werk The Medes and Persians (Die Meder
und die Perser) von W. Culican4, um gleich auf der ersten Seite zu lesen:
»Persepolis … im Jahre –518 von Dareios begonnen, wurde von
Xerxes vollendet … Dort wurde in jedem Jahr am Neujahrstag das Kö-
nigtum der Achämeniden erneuert, und Männer aus jedem Teil des
Imperiums kamen hierher, um Zeugnis für ihre Loyalität abzulegen.«
3 Die Redewendung »Die Wiederholung der Geburten« scheint während der Regie-
rungszeit von Amenemhet I. und von Sethos dem Großen benutzt worden zu sein.
Siehe auch: Gardiner: Egypt of the Pharaohs, S. 127 und 249.
4 W. Culican: The Medes and Persians
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