Die Seevölker
nicht nacheinander gefunden, sondern alle
gleichzeitig: ein regelrechtes Walhalla. Die Namen der Könige standen
auf den Binden, zusammen mit Angaben, wer die neue Umwicklung
vorgenommen hatte. Dieses Werk der Umwicklung hatte der Hohe-
priester Herihor begonnen; andere Mumien wurden unter der Aufsicht
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seines Sohnes Pianchi neu eingebunden, weitere unter Pianchis Sohn
Peinuzem I. und einige unter seinen Söhnen Mesahert und Mencheper-
re, ein paar weitere unter dem Sohn des Letztgenannten, Peinuzem II.;
abgeschlossen wurde die gesamte Aktion unter Siamun.
Das Versteck datiert aus der Zeit der 21. Dynastie, in der die Prie-
sterfürsten regierten, und viele Mumien dieser Periode wurden mit-
einbezogen, darunter auch solche von Leuten, die selbst diese Aktion
überwacht hatten, wie beispielsweise die von Peinuzem II. Ursprüng-
lich war diese Grabstätte für eine kaum bekannte Königin Inhapy ge-
baut worden, und es scheint, als habe Siamun dort die königlichen
Mumien gesammelt und zum letzten Male neu umwickelt, die vorher
von den Priesterfürsten der 21. Dynastie neu eingehüllt worden waren.
Aber bevor das alles zu erkennen war, wurde der gesamte Inhalt
der geheimen Grabkammer entfernt.
Dieses Ausräumen geschah in größter Eile. Maspero deutet in sei-
nem Bericht über diesen Fund1 an, daß er sogar mit einem bewaffneten
Einschreiten einiger Beduinenstämme rechnen mußte, denn diese –
nachdem sie erfahren hatten, daß man Schätze der altägyptischen Kö-
nige gefunden hatte – waren nicht abgeneigt, diese Schätze, die angeb-
lich alle aus Gold und Edelsteinen bestanden, selbst unrechtmäßig in
ihren Besitz zu bringen. Aber jeder, der weiß, wie resolut die Regie-
rungsbeamten unter den Khediven in Ägypten einzuschreiten pfleg-
ten, wird eher zur Annahme neigen, der eigentliche Grund für die ha-
stige Entfernung der Mumien sei auf die freudige Erregung über die-
sen Fund zurückzuführen, die die Ägyptologen darauf brennen ließ,
ihre Neugier zu befriedigen und den berühmten Königen aus Ägyp-
tens Vergangenheit ohne Verzögerung und bei Tageslicht zu begeg-
nen.
»Zweihundert Araber wurden rasch versammelt und in Bewegung
gesetzt. Das museumseigene Schiff, eiligst angefordert, war noch nicht
eingetroffen, aber wir hatten ja den ›Chef‹ Mohammed Abdessalam
[der das Geheimnis enthüllt hatte], auf den wir uns verlassen konnten.
Er stieg in das Loch hinab und übernahm die Aufsicht über den Ab-
transport des Inhalts.« Zwei Assistenten vom Antikendienst übernah-
1 G. Maspero: Les Momies royales de Déir el-Bahari; das Werk erschien als erster Band von M-moires de la Mission Archéologique Française au Caire (Paris 1889).
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men die Gegenstände, sobald sie aus dem Untergrund aufgetaucht
waren, und ließen sie den Hügel hinabtragen und dann in einer Reihe
nebeneinander hinlegen, »ohne bei ihrer Überwachung einen einzigen
Augenblick nachzulassen«. Maspero fährt fort: »48 Stunden harter Ar-
beit genügten, um alle Gegenstände zu exhumieren, aber damit war
die Aufgabe erst zur Hälfte erfüllt.« Es dauerte in der glühenden Juli-
hitze und in dem aufgewirbelten Staub sieben bis acht Stunden, um die
von Männern getragenen großen Särge vom Felsabhang bis an das
Flußufer zu transportieren. Die Zahl der verschiedenen Objekte war so
beträchtlich, daß es kaum möglich war, über ihre Sicherheit zu wa-
chen; einige verschwanden und wurden wieder beigebracht, mit Aus-
nahme von etwa fünfzig mit blauem Email überzogenen Figurinen.
»Um elf Uhr nachts erreichten die Särge, die Mumien und die Möbel-
stücke Luxor. Drei Tage später traf das museumseigene Schiff ein,
wurde beladen und brach mit seiner königlichen Fracht unter Voll-
dampf nach Bulak [dem Standort des Museums in Kairo] auf.«
Einige der Mumien, die jahrtausendelang aufbewahrt worden wa-
ren, begannen einen Verwesungsgeruch abzusondern und wurden
geöffnet; einige andere wurden von Emil Brugsch geöffnet, der ganz
ungeduldig war, ihren Inhalt in Augenschein zu nehmen – in Abwe-
senheit von Maspero und ohne dessen Zustimmung; dagegen wurden
die Mumien von Setos dem Großen, von Ramses II. und einiger ande-
rer erst zwei Jahre später in Gegenwart des Khediven geöffnet.
Zwischen den Umhüllungen der Mumien wurden keine wirklichen
Schätze gefunden. Wenn Herodots Bericht zutrifft, dann ist es durch-
aus wahrscheinlich, daß Kambyses einige der alten
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